Hochzeitsreise über die Kanäle ans Ijsselmeer

Submitted by admin on Sat, 02/05/2011 - 22:07

Mittwoch, erster Juli 2009. Mit 2-tägiger Verspätung legte die „Nam Kok“ mit gelegtem Mast beim KSV in Krefeld ab. An Bord Corinna und Frank, frisch vermählt, seit ganzen 4 Tagen und 103 Dosen Königs-Pilsener. Wein war auch dabei. Und Champagner, für die ersten Meilen unter Segel. Ziel Ijsselmeer, genau gesagt nach Warns bei Stavoren und nicht Kuba, wie ursprünglich geplant, dann allerdings nicht mit dem Boot. Nun sollte uns der Weg zunächst nur einen sehr kurzen Weg über den Rhein führen, bis Duisburg. Dann Rhein-Herne-Kanal und eben Dortmund-Ems in den Norden bis Holland. Wir hatten ja schließlich etwas Zeit und wollten nach der aufreibenden Hochzeitsfeier nicht wie verrückt den großen heimischen Strom bis zur Ijsselmündung runter brettern, sondern auch etwas sehen von der heimatlichen Landschaft. Und erleben. Der Ruhrpott, wie er leibt und lebt. Schleusen, Schlote, Fördertürme. Endloses Münsterland, Emsland bis in die Wiege der Seefahrer, nach

Friesland. Für das letzte Drittel der Tour nahmen wir eine Eigenheit der „Nam Kok“ mit in die Planung: Das Stahlschiff verfügt mit seinen 11 Meter Länge und 12 Tonnen Verdrängung bei aufgeholtem Kiel nur über einen Tiefgang von 1 Meter zehn. Bei einer Breite von 4 Metern sollten wir uns somit am oberen Limit zur Passage des „Haren- Rütenbrock-Kanales“ bewegen, der kurz nach Meppen vom Dortmund-Ems-

Kanal (DEK) nord-westlich abzweigt, in den Stadskanaal und andere kleine und kleinste Kanäle übergeht und schließlich in Groningen endet. Groningen sollte auch das erste und einzige terminlich festgelegte Etappenziel sein; am ersten NRW- Ferientag nach rund einer Woche sollte Helen, Corinna’s Tochter und meine frisch ergatterte Stieftochter mit dem Zug dort eintreffen und mit ihrer Freundin zu uns stoßen, um die letzten Meilen zu unserem Sommerdomizil nach Warns auf Deck zu genießen.

Soweit die Planung. Vorbereitet waren wir ohnehin. Vom Schleusen hatten wir keinen Schimmer, zumindest nicht in der Praxis. Theoretisch dafür umso mehr, unsere Vereinskameraden nahmen uns im Vorfeld alle Bedenken und den „Kaminski“ gab’s obendrauf. Den Wetterbericht holten wir uns „seemännisch“ über WDR 2 kurz vor dem Mittagsmagazin mit Günther Degenhardt, oder über den eigenen Barometerstand; nichts konnte mehr schiefgehen.

I. Erste Schleuse und Ruhrpottidylle

So schob sich die „Nam Kok“ an diesem herrlich, sommerlichen Juli Vormittag aus der Schweinebucht. Vor uns über 300 km über Grund und mehr als 30 Schleusen. Den Weg bis Duisburg stromabwärts kannten wir bereits aus dem vorhergegangenen November mit diesem Boot. Nach dem Hafenkanal an der Krefelder Stahlbrücke fuhren wir auf den mächtigen, immer wieder Respekt einflößenden Vater Rhein. Es

war kaum Verkehr. Nach kurzer, ganz kurzer Zeit machte sich bei mir Langeweile breit, die in Unruhe überging. So prüfte ich im Maschinenraum irgendwas und hörte

irgendwas über Funk ab. Soviel ungestörte Ruhe und Landschaft auf einmal schienen mir direkt nach dem Hochzeitsspektakel nicht gut zu tun. Zum Glück näherte sich Duisburg langsam und somit die erste Schleuse Richtung „Rhein-Herne-Kanal“ (RHK). Wir wählten als erstes die Meidericher Schleuse; die Ruhrschleuse erschien uns für den Anfang zu groß und wesentlich zu berufslastig. Bei der Annäherung an die Hafenkanäle in Duisburg dann die ersten Hinweistafeln, die wir versuchten mit dem Fernglas abzulesen. Irgendwas mit Meiderich. Bei jedem weiteren Meter über den Grund des Flusses wurde klar: Meiderich gesperrt! Also doch direkt die große Ruhrschleuse. Unsere ohnehin nicht vorhandene Ruhe wich der Anspannung. Wir hatten ja keine Ahnung, schon gar nicht von so großen Schleusen mit so großen Schiffen drin und noch größeren Schiffsschrauben. Vor uns 2 einfahrende Frachter, nicht von der kleinsten

Gattung und noch 2 Sportboote. Brav meldeten wir uns über Funk an und erhielten prompt als Letzte Einfahrt. Die Schleusenmauer wirkte unfassbar hoch. Langsam, ganz langsam stiegen wir gemeinsam in der Kammer die Mauer hinauf. Genauso langsam konnte Corinna die Mittelleine immer wieder den absinkenden Pollern entnehmen und am höher gelegenen auflegen. Sieben Mal. Die Tore gingen vorne auf und schwarzer Dieselqualm stieg aus den Schornsteinen der Frachter auf. Wir hielten uns immer noch fest, um für die Strömung der Riesenpropeller gerüstet zu sein. Langsam setzten sich die Berufsschiffer in Bewegung, die beiden kleinen Sportschiffe warfen ebenfalls los und fuhren aus; so zogen wir hinterher. Unsere erste Schleuse. Ganz ohne Probleme- warum auch, möchte wissen, wer uns da immer bekloppt gemacht hat....

Noch besser als in unseren Vorstellungen nahm uns der Rhein-Herne-Kanal und somit der Ruhrpott in Empfang. Paddler auf dem Wasser, Schwimmer im Wasser. Schwimmer, die fahrende Frachter erklommen und mit kühnen Hechtsprüngen wieder freigaben. Schwimmer, die sich von Autobahnbrücken nicht minder tollkühn in den Kanal stürzten. An jedem grünen Winkel ein Grill, hier und da eine Shisha. Kowalski und Aische. Grillwurst und KöPi. Tattoo und Pocke im Leopardenbikini. Hier im Pott haben die Leute das Herz auf dem richtigen Fleck. Mit drei bis vier Knoten Fahrt ging es den Kanal Richtung Oberhausen. Immer wieder musste ich winken und blickte in freundliche Gesichter. Nebenbei war noch so eine Kracher-Schleuse gemeinsam mit einem Berufsschiff zu passieren, was sich mehr oder weniger als vermeintliche Routine darstellte.

Am Abend erreichten wir die neue, nette Marina von Oberhausen. Der Hafenmeister empfing uns mit seinem Zodiac schon an der Einfahrt und geleitete uns an den Steg. Vollgepackt mit Eindrücken ließ ich die erste von 103 Dosen zischen. Corinna nahm ein erfrischendes Bad im Hafenbecken. Später gab es stilgerecht Currywurst zum Sonnenuntergang.

II. Whirlpool Wanne

Der zweite Tag begann wie der erste endete. Buntes, hochsommerliches Treiben entlang vom Kanal. Luftmatratze hier, Schlauchboot da, ein Natur-Erholungspark zum Nulltarif. Eigentlich hätten wir hier Wochen bleiben können, aber vor uns lagen ja noch hunderte Kanalkilometer, hunderte

Brücken und nun nur noch weniger als 30 Schleusen. Die zweite Schleuse des Tages durften wir ohne weitere Schiffe ganz alleine befahren. Über Funk wies uns der Schleusenwärter die Steuerbordseite zum Festmachen zu, also die Seite mit starren und nicht mit beweglichen Schwimmpollern. Ohne Berufsschiffer in der Riesenkammer sollte keine Hektik aufkommen. Routiniert belegte Corinna die Mittelleine am Poller, bereit zum Steigen. Wie immer lief der Motor mit und ich nutzte die Gelegenheit, um unter Deck am Kartentisch irgendwas anderes zu machen. Durch die Fenster hatte ich die Lage fest im Blick, zumindest konnte ich steuerbords die Beine meiner Frau und die Schleusenmauer deutlich sehen. Aber irgendwas war anders als sonst. Das Schiff bewegte sich unruhig im Steigen und auch die Steine der Schleusenmauer zogen zügig am Fenster vorbei. Aus diesem Blickwinkel hatte ich ja keinen Vergleich zu den ersten Schleusengängen, aber ich würde sagen, sie flogen am Fenster vorbei. Zeitgleich brüllte Corinna unverständlich und mich beschlich der Verdacht, auf Deck kommen zu müssen. Oben angekommen hatte ich das Dilemma vor mir. Der Schleusenwärter hatte es offenbar besonders eilig, wahrscheinlich wegen wartender Talfahrer, und pumpte uns hoch. Vorne am Schleusentor schäumte es, um uns herum Strudel und wir stiegen wie bekloppt an der Mauer hinauf und an den Pollern vorbei. Die Leinentechnik wie bewährt. Leine vom unteren Poller abnehmen und am oberen wieder auflegen. Aber wie sollte man das denn machen, in so einem Whirlpool im Fahrstuhltempo. Die Strudel drückten uns heftig von der Wand weg, je stärker wir stiegen, genauso erhöhte sich die Spannung in der Leine. Und dann umlegen... Im Moment des Lösens vom Unterpoller ergab sich sofort eine Distanz zum Oberpoller, die wir mit Armen nicht mehr überbrücken konnten. Dafür half der Bootshaken, mit dessen Hilfe wir geistesgegenwärtig wieder auflegen konnten. Aber die Distanz zur Wand wuchs mit solchen Aktionen und war durch Ziehen nicht mehr zu verringern. Geradezu lächerlich erscheinen mir im Nachhinein diese Versuche in Anbetracht der heftigen Strudel. Abwechselnd mit dem Bug, dann mit dem Heck schlug das Schiff gegen die Schleusenwand an; wir hatten andere Sorgen, der nächste Poller, von oben kommend, musste gewechselt werden, ehe er in den Fluten wieder verschwand. Der Dritte oder Vierte war es dann, auch mit verlängertem Bootshaken war er nicht mehr zu kriegen. Wir trieben frei im Whirlpool zu Wanne, vollkommen aufgescheucht. Ich übernahm sofort das Ruder und versuchte mit kleiner Fahrt und Ruder im Schiff weitere unliebsame Berührungen mir den Schleusenwänden zu vermeiden. Aber das verwirbelte, in die Kammer eindringende Wasser ließ eine Kontrolle keineswegs zu. Auf der Backbordseite vernahm ich Schwimmpoller und visierte sie an. Corinna wies ich an, ein solches Ding einzufangen. Beide ignorierten wir, dass wir auf dieser Seite doch noch nicht abgefendert waren. Ich hatte nur einen Anlauf und diesen dämlichen Schwimmpoller vor Augen, ich glaube mein Tonfall unterstrich dieses, dann fing meine Decksfrau unser Objekt der Begierde. Ich verließ das Steuer, legte notdürftig 2 Fender um und holte gemeinsam mit ihr die Schleusenleine dicht. Die letzten Meter stiegen wir kontrolliert und konnten kreidebleich und unversehrt aus Wanne entlassen werden. Das war eine pfundige Lektion!

Der „Lemon Beach Club“ am Stadthafen Recklinghausen lud uns bei 32° im Schatten zu einer Abkühlung und ausgedehnter Pause ein. Kein Wort über das verhagelte Schleusenmanöver; beide wussten wir genau, wo die Fehler lagen und was künftig zu tun ist. Dafür Liegestühle am künstlich aufgeschütteten Sandstrand und chilligen Beats, ganz nach unserem Geschmack.
Für die nächste und letzte Schleuse des Tages stimmten wir uns ab. Erstens: Alle

Mann an Deck und zweitens: Doppelleinentechnik. Die Leine am unteren, absinkenden Poller wird erst dann losgeworfen, wenn der Obere mit der zweiten Leine belegt ist. So ging’s problemlos.
Aus dem Westen zogen über den Schloten des Ruhrgebietes schwere, schwarze Wolken auf und vermischten den Himmel mit dem Abendrot in bizarres Licht. Zum einsetzenden Gewitter lagen wir bereits fest im Hafen Castrop und auch ein Bad im Hafenbecken durfte zuvor nicht fehlen.

III. Hafenterror Münster

Kräftiges Morgenrot zum nächsten Frühstück ersetzte den Wetterbericht halbwegs; an einem Umschwung war nichts zu deuteln, nur wie heftig würde er kommen? Nach dem Auftanken legten wir ab. Tagesziel nach ca. 60 Kanalkilometern: Münster und eine Verabredung mit netter Verwandtschaft, die bereits vor einigen Tagen mit der Braut das Tanzbein geschwungen hatten. Keine Schleuse lag dazwischen, freie Fahrt.

Ein schleichender Batterie-Defekt zwang uns mittendrin zu einem mehrstündigen Stopp direkt in Datteln. Unser Freund Werner kam aus der Heimat herbeigeeilt und brachte 2 nagelneue Blei-Klötze.
Rechtzeitig zur verabredeten Zeit kamen wir um neun in Münster an. Der Stadthafen liegt genial mittendrin. Am Ufer hat sich eine muntere Kneipen- und Restaurant- Szene entwickelt, ähnlich wie im Duisburger Innenhafen, mit dem Unterschied, dass man direkt vor dem Biergarten anlegt. Besser geht’s nicht. Man liegt als Selbstversorger ohne Duschen oder WC, dafür jedoch gratis in bester Lage.

Der Anleger war nicht zu verfehlen. Pünktlich, wie verabredet, gesellten sich Elke und Michael an Bord, dazu ein kühler Sherry und das Wiedersehen war perfekt. Die Küche unter Deck blieb kalt und so berichteten wir bei mediterranen Speisen von unseren ersten Erlebnissen. Wieder zurück an Bord bei hervorragendem, spanischem Wein im Cockpit fanden wir uns 4 im Handumdrehen in der nächsten Episode wieder.
Eine kleine Horde von „Studenten“, die uns oder den “Yachties“ nicht wohl gesonnen war, bevölkerte die Mole in unmittelbarer Nähe. Wir ignorierten gemeinsam jegliche

platte Anmache. Bierflaschen flogen hinter unserem Heck ins Wasser. Wir blieben ruhig und ließen uns nicht provozieren. Dann wurde es ruhig um die Herrschaften. Irgendetwas stimmte nicht. Ich ging auf Deck, um mir ein Bild zu verschaffen und sprang noch schneller unter Deck, um den Motor zu starten. Wir trieben bereits ab, die Chaoten hatten unsere Leinen losgeworfen und den Bug klammheimlich mit vereinten Kräften ins Hafenbecken gedrückt. Die verbleibende Heckleine warfen wir selbst los, unter hämischen, gehässigen Kommentaren des Jungvolkes. Wir dachten: Münster, Studentenstadt. Gebildet, Welt verstehend, liberal und alternativ. Leider aber auch borniert, uncool und nix verstehend- sehr schade!

So machten wir am gegenüberliegenden, weniger bevölkerten Ufer fest und ließen uns die Laune nicht weiter verderben. Einige Tage später berichteten uns Catharina und Hilmar von der „Animo“ von ähnlichen Szenen aus diesem Frühjahr, jedoch noch drei Nummern heftiger, mit einer halben Schlägerei an Bord und blinden Passagieren. Münster scheint also bekannt zu sein für Hafenterror....

IV. Motorstillstand auf dem Dortmund-Ems-Kanal

Der vierte Tag. Der Wetterumschwung ließ immer noch auf sich warten. Heute stand nur Strecke an, Kilometerfressen. Herrlich weites Münsterland und 26°. Hier und da eine Schleuse sonst nichts. Die „Nam Kok“ marschierte bei 5 Knoten Fahrt. Stundenlang ging es über kerzengerade Kanalabschnitte durch die Prärie. Ein Frachter verfolgte uns schon lange, kam aber nicht näher. Kurz nach Ladbergen etwas Betrieb. Wir verfolgten über UKW die Absprache eines entgegenkommenden Schubers mit dem Frachter in unserem Kielwasser.

Dann aus dem Nichts plötzlich Stille an Bord. Ende, Aus, Stillstand. Ohne Vorankündigung, ohne Anzeichen quittierte unser Diesel seinen Dienst.

Motorstillstand auf dem Kanal. Wir hatten noch reichlich Fahrt und somit Ruder im Schiff. Aber nicht mehr lange, bis wir manövrierunfähig treiben sollten. Hinter uns und vor uns die Berufsschiffe, die schon im Begriff waren, ihr Ausweichmanöver zu fahren. Am Ufer steuerbords konnten wir gerade noch den Übergang zwischen Spundwand und Grasböschung erkennen. Und eine Leiter. Mit letztem Schwung hielten wir

auf sie zu. Irgendwie bekamen wir sie zu fassen und belegten die Mittelleine. Eine ziemlich unsanfte Aktion, ohne Fender. Sofort danach sprang ich in die Funkbude unter Deck und informierte die heranrauschenden Frachter. Mit gedrosselter Fahrt zogen sie an uns vorbei und wir hatten nun alle Zeit um nach der Maschine zu sehen. Das war knapp.

Alle Checks, wie Kühlwasser, etc. verliefen ohne einen Befund. Ich tauchte nach unten, um zu sehen, ob sich etwas in der Schraube verfangen hätte. Nichts. Mit Handpumpe an der Einspritzpumpe entlüfteten wir, wie in guten alten Zeiten. Aber nicht die Spur eines Luftbläschens trat aus der Überlaufleitung aus. Wir riefen Erhard in der Heimat an, berichteten und baten um Rat. Aber auch er und Harald wussten nicht weiter. Ohne Erklärung versuchten wir die Maschine erneut zu starten. Zu unserer Verblüffung sprang der alte Mercedes Diesel direkt an. Sofort lief er absolut sauber und rund, es war kaum zu glauben. Wir dampften in die Leine am Ufer ein und liefen einige Zeit unter Last. Alles im normalen Bereich.

Ungläubig und gehemmt legten wir ab und gingen wieder auf Reise. Unter Hochzeitsreise hatten wir uns wohl etwas anderes vorgestellt....

V. Zwei Tage Dortmund-Ems-Kanal

Von unserem Anleger in Rodde bis zum Abzweig Haren lagen noch knapp 70 Kanalkilometer vor uns. Eigentlich nicht sehr viel, aber 10 Schleusen sollten sich in den Weg stellen. In 2 Tagen bewältigten wir das Programm ohne weitere Aufregungen, nahmen in Lingen noch ein „Simply Red“ Konzert auf dem Marktplatz mit und erreichten schließlich bei km 180 die moderne Marina in Haren, erstmals in dickem Pulli. Über die Tage ist das Thermometer um 15 Grad gesunken, der Wetterbericht versprach nichts Gutes.
Am Abend begutachteten wir während des Landganges die Schleuse zum „Haren- Rütenbrock“-Kanal und den ersten Abschnitt, soweit einsehbar. Der gesamte 84 km lange Wasserweg bis Groningen soll dann für Schiffe bis 1,5m Tiefgang und 5,4m passierbar sein bei max. Geschwindigkeit von 5 km/h, genau richtig für uns und unser Vorhaben, etwas von der Landschaft zu genießen.

VI. Tiefflug durch die Kanäle

Kurz nach acht. Mit 2 kleinen Sportbooten ging es hinein, in die erste von 5 Schleusen des Haren-Rütenbrock-Kanales. Vorher lösten wir beim Kanalwärter für 2,00€ die Passage und holten uns letzte Anweisungen. Der Morgen war reichlich frisch und windig. Eingepackt in Ölzeug bugsierte ich die „Nam Kok“ durch den immer kleiner werdenden Kanal. Langsam kamen mir Zweifel, hinsichtlich der Eignung dieses Fahrwassers für unseren Pott, aber die Angaben sprachen eindeutig zu unseren Gunsten.
An der ersten Klappbrücke holte ich mir den ersten Anpfiff vom Kanalwärter über Lautsprecher ab. Wir sollten im Konvoi fahren! Ich gab mein Bestes und das Tempo der Vorausfahrenden wurde immer schärfer, als wollten sie uns entkommen. Die

Nadel unserer Logge kletterte immer weiter, von Geschwindigkeitsbegrenzung hatten die scheinbar nichts gehört. Es wurde immer schneller, ich versuchte die Verfolgung zu halten. Nebenbei schaute ich nach unten auf das Echolot; mir entgleisten sämtliche Gesichtszüge. Nach dieser Anzeige hätten wir noch 2 Briefmarken Wasser unter dem aufgeholten Kiel! Ich musste noch eine Schippe drauflegen. Wir liefen fast Rumpfgeschwindigkeit. Alles vibrierte unter Deck, wir pflügten das Kanalbecken im

Tiefflug gründlich um. Die Resonanz vom Grund war so heftig, dass eigentlich alle Schrauben rausfliegen mussten. Unerträglich. Jede Kurve Schwerstarbeit. Ich drehte wie wild am Rad, um nicht im nächsten Vorgarten zu landen. Es reichte. Bald war die nächste Schleuse erreicht und vom Lautsprecher kam die nächste Ermahnung, doch besser im Konvoi zu bleiben. Zu viel für mich.

Während der Schleusung versuchte ich den Schleusenwärter über Funk zu erreichen, ohne Erfolg. Corinna bekam ihn dann über Telefon an die Strippe. Der Offizielle begann ungefragt mit seiner Belehrung, dass ich auch etwas über 5 km/h fahren dürfte, um den Abstand minimal zu halten. „5 Kilometer...?“, unterbrach ich ihn, „Knoten, Junge, Knoten! Wir brettern hier mit mehr als 7 Knoten!“

Irgendetwas musste nachfolgend geschehen sein. Gemächlich setzte der Trupp seine Fahrt fort, einträchtig mit 3 Knoten Fahrt (ca. 5km/h), ganz nach meinem Geschmack.
Nach Passieren der Grenzschleuse ging die Tour in nun vertrauter Manier weiter, nur

eben unter holländischer Leitung in unverkennbarer „Oranje“-Kleidung. 2 weitere, kleine Kajütmotorboote gesellten sich zu unserem Konvoi. Wir waren mit Abstand, die Schwersten, Trägsten und auch von den Abmessungen ganz weit vorne. Die Strecke mündete in den Ter Appel Kanal, dann in den Stadskanaal mit seinen 25 beweglichen Brücken und 7 Schleusen. Corinna’s große Stunde hatte geschlagen, ich führte am Ruder stehend nur

noch aus. Auf dem Vorschiff stehend, peilte sie nach vorne, hielt rufend Kontakt zu den anderen Booten und Kanalwärtern, lotste mich, ohne zu ahnen, dass auch ich am Ruder alle Hände voll zu tun hatte, vor den Brücken wartend auf der Stelle zu stehen, bei heftigem Seitenwind ohne Bugstrahler. Vorne dirigierte sie und übernahm das Kommando. Wenn alle anderen bereits in die Schleuse eingefahren waren, kamen wir. Wo eigentlich kein Platz mehr vorhanden war, winkten uns die erfahrenen Schleusenjungs rein. Langsam, ganz langsam schob ich die nun riesig wirkende „Nam Kok“ in die Schleusenkammer und unterbrach das entspannte Warten der weiteren Besatzungen. Jeder hatte auf einmal Angst um sein Boot und von uns untergemangelt zu werden, als wir in die nicht vorhandene Lücke eindampften, ihr entsetzter Anblick sprach Bände. So ging es noch den ganzen Nachmittag durch unzählige Brücken und 4 weitere Schleusen. Der Feierabend der holländischen Schleusenwärter um fünf bedeutete auch für den Konvoi im Ort „Stadskanaal“ Festmachen zum Nachtlager.

Erst mal ein kühles Bierchen. Klaus und Anne von der lange vor uns fahrenden „Condor“ wurden von uns gleich mit kalten KöPi ausgestattet, aus meinem einst 103 Dosen zählenden Vorrat, nachdem deren Kühlschrank ausgefallen war. In hohem Bogen schmiss meine kleine Frau die Getränke von einem Schiff lässig zum anderen. Nicht nur durch diese Aktion zog sie die Aufmerksamkeit auf sich. Ihr entschlossenes Wirken auf Deck über den gesamten Tag in allen Schleusen, mit allen Booten und deren Besatzungen brachten ihr verstohlene Anerkennung, bewundernde Blicke streiften sie und ich erklärte sie fortan zur Kanalschifferin. Jederzeit würde ich sie wieder heiraten.

Über alle Boote hinweg wurde gefachsimpelt und es kamen Stimmen auf, dass man nach Groningen nicht mehr über das Oosterdiep und Veendam mit seinen unzähligen beweglichen Brücken fahren müsse, sondern der kürzere Weg über das Kielster- und Kieldiep und durch das Zuidlaardermeeer genommen werden könne, mit einem maximalen Tiefgang von 1,3m und max. Höhe von 3,1m. Wir hörten genau hin, schließlich wollten auch wir morgen Groningen als festes Etappenziel erreichen, um wie verabredet die Mädels zu treffen.

VII. Festsitzend im Kieldiep

Wieder pünktlich um acht am nächsten Morgen setzte sich der ganze Tross wieder in Bewegung. Die Fahrt führte idyllisch durch winzige Kanäle und Bäche. Nie im Leben

hätte ich mir träumen lassen, mit dem Dickschiff einmal durch die Vorgärten der Holländer zu fahren und währenddessen die Schafe zu streicheln.
Das Thermometer sackte weiter in den Keller, der Wind brieste giftig auf, am Horizont schwarze Schauerwolken. Kurz nach Mittag teilte sich der Konvoi. Wir entschieden uns für die kürzere Route, unsere Abmessungen sollten uns diese Passage gestatten.

Als mittleres von 3 Booten bogen wir in westliche Richtung ins Kieldiep ab. Eine Schleuse war zu nehmen, dann freie Fahrt ins Zuidlaardermeer. Der Kanal wurde immer schmaler, es war kaum noch zu fassen. Rechts streiften wir schon erste Gräser auf der anderen Seite passte gerade mal ein Bierkasten dazwischen. Das Echolot ignorierte ich schon seit geraumer Zeit und ich befahl meinem Gehirn einfach abzuschalten. Zum Glück wurde der Kanal etwas breiter, das Motorschiff „Alisha“ vor uns verließ leicht die zentrale Fahrrinne; wir folgten ahnungslos. Die Distanz nach vorne zur „Alisha“ schrumpfte, ich konnte bei dem Seitenwind kaum noch langsamer fahren, als vorne plötzlich aus beiden Auspuffrohren schwarzer Rauch raus schoss. Sie saßen fest. Mit voller Kraft voraus versuchten sie loszukommen und ehe wir uns versahen saßen auch wir fest. Ich konnte das Ruder nicht mehr drehen. Vorne schienen wir noch frei zu sein, der Bug wurde vom Sturm nach steuerbord weggedrückt. Das letzte Schiff des Konvois konnte gerade noch durchschlüpfen, auch die „Alisha“ kam frei. Bei uns tat sich auch mit viel Schub rein gar nichts. Um nicht völlig querzustehen ließen wir vorne den Anker ausrauschen. Es funktionierte, wir drifteten nicht weiter ab. Ich versuchte es erneut mit Ruderlegen und Propellerschub. So langsam regte sich etwas. Kaum wahrgenommen, dass ich etwas Bewegung im Ruder hatte, schossen wir freigekommen und mit voller Kraft los. Vorne steckte jedoch noch der Anker im Kanal, so schnell konnten wir nicht reagieren. Mit hartem Backbordruder drehten wir uns um den Anker herum und landeten mit heftigem Schwung auf der rechten Uferböschung. Unser flacher Bauch schob sich auf die Wiese. Wir hatten den Kanal verlassen. Wie ein gestrandeter Wal lagen wir an Land! Ich konnte aussteigen und mir das Spektakel von außen anschauen. Tausende Gänseblümchen auf einen Schlag plattgedrückt. Corinna stoppte den Motor, da wir kein Kühlwasser mehr ansaugen konnten. Der Schleusenwärter in seinem Oranje-Pulli kam auf seinem Moped herbeigeeilt. Fassungslos griff er zum Telefon und brüllte, dass jemand schnell einen Trecker holen müsste, „neeee, besser zwei Trecker“, dabei versuchte er noch mit dem Hintern zu drücken und zu schieben. Pure Verzweiflung. Ohnehin vergaßen alle Beteiligten, dass der Himmel alle Schleusen öffnete und wir bis auf die

Knochen durchgeweicht wurden.
Und irgendwie waren unsere Gehirne doch noch aktiv. Wir starrten gemeinsam auf die Ankerkette und hatten nur noch eins im Sinn. Ich ging wieder zurück an Bord und installierte die Fernbedienung der Ankerwinsch. Corinna bediente und die Kette spannte sich. Alles knarrte, der Motor der Winsch quälte sich bis fast zum Stillstand und irgendwie müssen sich einzelne Grashalme unter dem Rumpf in Bewegung

gesetzt haben. „Super“ schrie der Schleusenwärter, „Meisje, dat is super!“ Mittlerweile standen bestimmt 10 Mann an Land, die unter der Anfeuerung des Schleusenwärters spontan alles liegen ließen und schoben wie verrückt. Die Ankerwinsch zerrte und ächzte, wahrscheinlich qualmte sie schon. Das Gras rutschte schneller und schneller und unter dem Gegröle aller, klatschte das Schiff wieder in die Fluten. Motorstart, Anker rauf und los. Ich drehte mich noch mal um und sah den immer noch fassungslosen Schleusenwärter.

Auch wir waren fertig und querten erstmals Mutterseelen allein fahrend das Zuidlaardermeer. Der Regen ließ nach. Noch ungefähr 20 km bis Groningen und noch ein Engpass: Die starre 3,1m hohe Brücke am Ausgang des Drentse Diep. Beschrieben im Frieslandführer ist dieses Gewässer als natürlicher Wiesenfluss mit sanften Kurven, befahrbar bis 2,0m Tiefgang. Die Schönheit des Flusses konnte man getrost bestätigen, soweit das Gemüt dazu in der Lage war; beim Tiefgang liegt der Autor leider voll daneben. Gerade mal 1,5 m zeigte unser Echolot an, ab und zu zuckte die 4 und auch mal die 3 nach dem Komma. Mir wurde Angst und Bange, nicht dass wir noch mal auflaufen, vielmehr beschlichen mich Zweifel wie korrekt die Höhenangabe der Brücke sein würde. Und wie korrekt ich selbst gemessen hatte. Drei Meter Zehn würden so gerade eben passen.

Vor uns auf einmal ein Motorschiff. Sieht aus wie die „Alisha“, die uns wieder entgegenkommt, kein gutes Zeichen und kein Mensch mehr auf der Fly-Bridge zu sehen. Sie kamen näher und im Passieren erkannten wir wie gerupft sie aussehen, die blaue Persenning hing in Fetzen. Unsere Spannung stieg und die erste starre, 3,4m hohe Brücke näherte sich. Überall im Wasser trieben blaue Stofffetzen, offenbar Reste der „Alisha“. Es blieb keine Zeit mehr zum Nachdenken und ich postierte meine Kanalschifferin auf das Deck mit Blick auf den höchsten Punkt des gelegten Mastes. „Wie viel Platz haben wir noch?“ „Weiß nicht, sieht gut aus“. „Ja, aber reicht es auch an der nächsten Brücke? Haben wir noch 30 cm Luft?“ „Weiß nicht, wie viel sind den 30cm?“. „Herrgott, passt da noch eine Langspielplatte zwischen?“ „Ja Schatz, das müsste gehen“. In Schleichfahrt fuhren wir auf die letzte Brücke zu, 3 Meter zehn. Corinna stand immer noch auf Deck, den Mast fest im Blick. Zentimeter für Zentimeter schlichen wir uns durch, ich schaute gar nicht mehr hin und ließ mir abschließend sagen, dass nicht mal mehr eine Mücke dazwischen

Platz gehabt hätte.., mein Gott!
Direkt danach ein scharfer Linksknick und ein paar hundert Meter bis zum Winschoter Diep. Freier Anflug auf Groningen und endlich wieder ein paar ausgewachsene Frachter um uns herum, die Zivilisation hatte uns wieder. Helen und ihre Freundin meldeten sich auch schon per Telefon; ihr Zug würde pünktlich in einer Stunde in Groningen eintreffen und ob wir schon da seien und überhaupt, das Wetter passt ja gar nicht. Bis jetzt

hatten wir andere Sorgen, aber nun konnten wir den Wettlauf annehmen. Unsere Sprachkenntnisse reichten aus, um unsere fliegende Durchfahrt im „fließenden“ Holländisch bei den Brückenwärtern anzumelden. Pünktlich zur Ankunft prasselte wieder ein Granatenschauer runter, ich freute mich schon auf den Dieselofen unter Deck. Wir entschieden uns für den „Motor Boot Club Groningen“ als Anleger. Ortsunkundig passierten wir zaghaft die Hafeneinfahrt. Kein Mensch draußen zu

sehen bei diesem Sauwetter. In Fahrtrichtung ein schmaler Kanal, links davon eine Steganlage mit Boxen und Dalben. Eine Tür flog auf und eine ältere Dame nur mit einem T-Shirt bekleidet sprang heraus und winkte wie wild in Richtung der Steganlage. Der Wind peitschte, keinen Hund lässt man bei diesem Wetter raus. Ich wollte sie nicht frieren lassen und gab Schub. Wir stürmten durch den Hafenkanal, bis ich aus dem Augenwinkel die Lady an einer freien Box stehend und winkend an mir vorbeifliegen sah. Ich versuchte das Manöver zu retten und hämmerte den Rückwärtsgang rein. Seitenwind und Radeffekt besorgten den Rest. Wir drehten und schlugen in der niedrigen Hafenmauer steuerbords ein, wie blöd muss man sein. Am Steg wurde es durch dieses zarte Manöver gleich lebhaft, man wies uns den Weg um den Steg herum. Eine winzige Lücke tat sich auf und bis heute weiß ich nicht, wie wir da reingekommen sind, ohne weitere Boote zu versenken. Punktlandung.

Kurz darauf kamen Helen und Anna mit dem Taxi vom Bahnhof. Mit Kippe im Mund und Bier in der Hand kauerte die Mutter Corinna auf dem Niedergang und nahm die neuen Passagiere in Empfang, brettfertig, aber wir hatten es geschafft. Unser junges Eheleben hatte auch diesen Tag gemeistert!

XIII. 4 Tage fest in Groningen

Juli in Holland, das Thermometer schaffte es nicht mehr über 14°. Der Dieselofen leistete gute Dienste und in der Lücke eines Schauers lud die Stadt zum Bummel ein. Der Wetterbericht sprach von weiterer Kälte und so schnell wie die beiden Passagiere kamen, so schnell fuhren sie schon wieder mit dem Zug in die Heimat. Zur großen Überraschung kamen Catharina und Hilmar von der „Animo“ aus Weener zu uns herüber und statteten uns einen spontanen Besuch ab. Natürlich berichteten wir über unsere frischen Erlebnisse und auch wie es weitergehen sollte; Hilli festigte sich einen festen Platz in unserem Logbuch: „Nie gegen das Wetter fahren...!“ Selbstverständlich folgten wir diesem Rat.

Jeden Morgen, wenn die Wolkenbrüche eine Pause einlegten, gingen wir in die Stadt, zunächst ins Internet-Kaffee, um diverse Wetterprognosen einzuholen. Weit kamen wir nie, weil es immer wieder aus Kübeln begann zu schütten. Meistens sind wir dann in einem Kaffee namens „The Crow“ gelandet, wo das Amstel-Pils schon am frühen Morgen in Strömen floss. Gegen die Tropen-Regel ließen auch wir anzapfen. Überqellende Aschenbecher, Nebel im Laden, süße Luft und eine vollkommen durchgeknallte Barkeeperin im fortgeschrittenen Semester, bauchfrei und praller Leopardenhose rundeten das Bild ab. Aus den Boxen dröhnten die „Stones“ mit „Angie“ und mein Kino war perfekt. Das musste Holland sein!

IX. Die letzten Kilometer bis Warns am Ijsselmeer

Nach 4 Tagen hatte der Wettergott ein Einsehen, die Lage verbesserte sich und wir ließen Groningen hinter uns. Im Gepäck die Erinnerungen an eine sehr lebhafte Stadt mit coolen Bars und viel Musik. Vor uns großzügige Kanäle und endlosgrüne, friesische Landschaften, die uns in 2 Etappen mühelos durchziehen ließen.

Kaum in Warns am 12.Tag angekommen, zeigte sich der Sommer, wenn auch etwas zaghaft und nur als kurzes Intermezzo. Im Handumdrehen stand der Mast mit Hilfe des Hafenmeisters und seinem Kran, auch die Segel waren ebenso schnell angeschlagen, bevor es sich der Wettergott wieder überlegte. So traten wir selbst Tage später im strömenden Regen mit dem Zug die Heimreise an und ließen die

„Nam Kok“ zunächst zurück. Wir waren ja noch nicht fertig, noch nicht im Ijsselmeer und noch nicht gesegelt.

X. Feuertaufe unter Segeln

15.August. Mit Sigrid und Hein, zwei sehr erfahrenen Seglern aus meinem Kollegenkreis verstärkt, kehrten wir zurück, um Reiner’s „Nam Kok“ endlich zu segeln. Wir brannten darauf zu wissen, wie sich das Schiff unter Segel verhalten würde, wie viel Lage sie nimmt. Hein, der in seinem Leben bestimmt schon 25 Schiffe gesegelt hatte, war vor dem Auslaufen die Ruhe selbst und hegte nicht den geringsten Zweifel an der Seetüchtigkeit. Angesagt waren 4 Windstärken bei heiterem Himmel.

Bei einem satten Fünfer liefen wir aus. Insgesamt lagen zu diesem Zeitpunkt 390 km und 31 Schleusen hinter uns. Der Wind setzte noch einen drauf. Vor uns wartete das schäumende Ijsselmeer mit kurzer kabbeliger Welle. Schleuse 32 eröffnete uns den Weg, dazu herrliche Sonne. Genau der richtige Auftakt. Die „Nam Kok“ wollte jetzt los. Unter Maschine ging es raus, Hein am Steuer. Ich entschied mich gleich für 2

Reffreihen und setzte das Großsegel. Alle waren fürchterlich gespannt, vor allem meine junge Braut, die die Segelei ja noch nicht so kennt. Kaum war das Tuch oben und der Motor gestoppt, ließen wir die Genua zu 2 Dritteln ausrollen. Die „Nam Kok“ stürmte los, Kurs Enkhuizen, halber Wind. Das Schiff in seinem Element, ließ die Logge nach oben schnellen, fast 8 Knoten, volles Rohr. Ich kontrollierte per GPS. Tatsächlich liefen wir mit 7,6 Knoten Rumpfgeschwindigkeit! Direkt beim ersten Mal! Bei voll ausgefahrenem Kiel nahm das Schiff

relativ wenig Lage und ließ uns volles Vertrauen gewinnen. Der Wind legte noch eine Windstärke drauf, jetzt schon sieben. Welch eine Feuertaufe an diesem strahlend blauen Samstagnachmittag. Mit positiven Gefühlen beschlossen wir bald umzudrehen. „Klarmachen zur Halse!“ Ungläubig schauten mich Hein und der Rest der Besatzung an, aber jetzt war auch der Captain mal in seinem Element. Hein an der Genuawinsch, Corinna am Steuer, das Groß in meiner Hand. Abfallen in vollem Galopp, rund achtern und mit Volldampf weiter. Herrlich, die „Nam Kok“ machte Riesenspaß, den wir dem Konstrukteur und Schiffsbauer gewidmet haben.

Abends liefen wir in Stavoren mit noch 12 verbleibenden Bierdosen ein. Die Hochzeitsreise ging zu Ende, darauf Champagner!
Es war eine Tour, wie wir sie uns im Leben nicht vorgestellt hätten, dabei sind wir nur mal eben von Krefeld über die Kanäle ans Ijsselmeer rüber gefahren. Es war alles dabei, fast jeder Tag ein kleines Abenteuer und wir verstehen uns immer noch..., Havanna muss noch etwas warten.

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