Fremdgegangen

Submitted by admin on Wed, 07/09/2014 - 23:47

Aus dem Logbuch der „Nam Kok“ und „Dakry“

 August und September 2013

 

I.Intro

Krefeld, Schweinebucht August 2013.

Wahrscheinlich einer der letzten lauen Abende des außergewöhnlichen Sommers in unseren

heimischen Gefilden. Nicht viel los beim turnusgemäßen Clubabend am Mittwoch im Segler-Verein. Die meisten Vereinskameraden befanden sich noch in den Ferien, oder genossen die Zeit irgendwo in Holland, das diese Saison wahrlich mit Sonne überflutet wurde.

Image removed.Den ganzen Sommer haben meine Frau Corinna und ich in der Halle an unserem Schiff geackert. Geschliffen, entrostet, grundiert, wieder geschliffen gespachtelt und alles von vorne, bis der komplette Rumpf glatt und geschmeidig war. Wenn Gott und

die Welt ihre Zeit am Rhein verbrachten, grillten oder feierten, schufteten wir im Angesicht des Schweißes in der Bootshalle, dankbar für jeden kühlenden Luftzug. Das Ziel, den Rumpf zu überholen und auf Hochglanz zu trimmen, war im Prinzip klar umrissen, aber es sollte nicht ausbleiben, dass größere Baustellen sich eröffnen sollten. Der Schwenkkiel mit seinem ausgeschlagenen Kielbolzen erwies sich als größtes Sorgenkind. An Land auf dem Dock wurde die Situation deutlich; nicht fixiert und steif wie ein Kiel sein muss, sondern schlaff und schwingend, wie die Glocke von Notre Dame bewegt sich der Kiel in seinem Kasten beängstigend. Ein untragbarer Zustand. Konstruktiv bedingt lässt sich das Ding nicht demontieren. Der Kiel wurde damals zuerst eingebaut, dann das Schiff darum herum geschweißt. Nur ein großer Schnitt kann uns weiterhelfen und möglicherweise auch ein neuer, starrer Kiel. Eine große Veränderung in die Idee des Schiffes an seinem Rückgrat, mit der Amputation der Kielflosse zur Folge. Ein brutaler Begriff, aber für mich gerade der einzige Weg diesen Vorgang zu beschreiben. Und wahrscheinlich unumgänglich, wegzugehen von dem Schwenkkielkonzept und der jungen, schönen Historie des Schiffes auf den schmalen, flachen Kanälen. Aber somit sicher auch weg von nicht endenden Wartungsarbeiten und Sorgen. Die Entscheidung ist stark emotionsbegleitet und damit eher untypisch für meine Denkweise als Techniker. Aber selbst Reiner, der Konstrukteur und Erbauer der „Nam Kok“ hegte Zweifel an der Kielgestaltung, die ihn fast dazu verleiteten selbst den Kiel abzuschneiden und in starrer Form neu anzusetzen. Eine kleine Gewissensberuhigung für mich, trotzdem jedoch fällt es alles andere als leicht, den großen, scheinbar unvermeidbaren Schnitt zu machen.

Die ursprüngliche Rumpflackierung erscheint hierbei nur noch wie Kosmetik, wenn auch notwendig. Über Herbst und Winter müssen wir weiter in der Halle bleiben, und Dank der Krefelder Segler-Freunde erhalten wir auch die Genehmigung dafür.

Die jetzt anstehenden, nächsten 3 Wochen des Spätsommers musste Nam Kok dann ganz alleine in der Halle ohne uns schmollen. Wir nahmen es uns einfach heraus, ein erstes und einziges Mal fremdzugehen. Ein anderes Schiff, ein anderes Meer. Warmer Wind und Sonne. Eine Auszeit von all dem.

Rumpelnd rollend schloss sich das riesige Hallentor und die kleine, dicke Nam Kok, die hinten in der Hallenecke aufgebockt stand, verschwand langsam aus meinem Blick. Nicht ohne einen Anflug von Schwermut.

 

II. Übernahme der „Dakry“

Image removed.Lefkas, Griechenland, 31.August 2014. Samstag und somit Übergabetag der Charteryachten.  Der Einkauf war bereits getätigt und bereits am frühen Mittag lag die kleine „Dakry“ (zu deutsch: Träne) für uns in der Marina bereit. Eine schon etwas betagtere, aber sehr solide Dufour 37, sehr gut innen aufgeteilt. Eigentlich viel zu groß für unsere 2-Mann-Besatzung, aber so hatte jeder von uns wenigstens sein eigenes Bad und Ankleidezimmer.

Panos, der nun so langsam in die Fußstapfen seines Vaters als Vercharterer treten wird, wies uns gründlich ein. Mit seinem Vollbart und Bergstiefeln wirkte er eher wie ein Alpenwanderer, verstand jedoch sein Geschäft mit Yachten und erklärte uns geduldig jedes Detail.

Die Inselwelt im ionischen Meer erstreckt sich an der griechischen Westküste von Korfu im Norden bis nach Zakinthos im Süden und Lefkas mittendrin. Wir freuten uns auf entlegene Ankerbuchten, verträumte Hafen und kulinarische Genüsse. Einiges davon konnten wir bei unserem einwöchigen Aufenthalt auf Lefkas bereits kennenlernen, vor dem eigentlichen Törn. Konkrete Pläne hatten wir nicht, waren jedoch bewaffnet mit ausgiebigen Informationen von den Heiks aus dem Freundeskreis und von Alfred, der mit seiner Frau Eva hier sozusagen zu Hause ist. Demnach sollte das geschützte Revier keine besonderen Ansprüche an das Können der Mannschaften stellen und spontanes Island-Hopping garantieren.

Auch der stetige Nordwind „Maestro“, der sich besonders im Sommer entwickelt und zur späten Mittagszeit mit höchstens 4 Windstärken wehen soll, wird als äußerst zuverlässig beschrieben. 7 Tage für uns einmal nicht Kampfsegeln.

 

 

III. Erster Schlag nach Porto Spilia auf Meganisi

Image removed.„Not here, not here! Go away here!” schnauzte der Hafenmeister von der Nordpier in Porto Spilia, als wir nach unserer ersten Etappe tadellos mit dem Heck voraus anliefen. Die „Dakry“ lief rückwärts, wie ich es so noch nicht gekannt habe und ließ sich steuern wie ein Einkaufswagen im Supermarkt. Ich war begeistert. „Not here! Go away here!!“ Wahrscheinlich meinte er, dass wir auf der gegenüberliegenden Seite anlegen sollten. So zogen wir wieder raus zum neuen Anlauf gegenüber. „No,no,no“, schrie der kleine Mistkerl wieder, „you have reservation?“ Ohne dass wir darauf antworten konnten, brüllte er wieder sein Lied: „Go! Go! Go! Go away here! Not here! Not here!“ Corinna am Bug stehend fragte konsterniert: “Why? Everything is free here…..“ „No,no, no! I am here the boss. Go away!”

Klar, das war deutlich und wir liefen die Westseite der Bucht an, wo bereits einige Schiffe lagen. Es gab genügend freie Lücken, merkwürdigerweise lagen jedoch alle mit dem Bug voraus zur Pier. Langsam liefen wir an, nachdem wir unsere Leinen nun auch auf dem Vorschiff vorbereitet hatten. Und wieder stand am Ufer ein solcher Wilder. Der kleine alte Mann wies uns diesmal jedoch nicht ab, sondern ein, zumindest wäre es seine Sichtweise gewesen. Tatsichtlich brüllte auch er hysterisch, fuchtelte mit Händen und Füßen. Am Steg angekommen entriss er Corinna die Vorschiffsleine, machte meine fassungslose Frau zur Minna, rempelte sie auf dem Vorschiff zur Seite und war schon mit der Pilot-Mooring-Leine an Bord. Nun war ich dran. „Stop, stop! Motor stop!“ „Yes, it’s neutral”, antwortete ich. “No,no, stop. Turn off Motor!” Ich gehorchte, in der Sorge hier auch wieder rauszufliegen, wenn wir nicht parieren. Die Mooring-leine musste er  dann schräg unter dem Schiff durchziehen, weil er offenbar schon die Leinen der anderen Schiffe vertauscht hatte. Das gelang ihm aber nicht so richtig und er zerrte die Leine mit Gewalt und der Winsch wutschnaubend unter dem Kiel und dem Ruderblatt durch, während ich gedanklich, begann ihn zärtlich zu erwürgen.

Zum Glück sprang er auch mit allen anderen einlaufenden Besatzungen so um und unsere Bootsnachbarn meinten, das wäre in dieser Region häufig so der Fall.

Wir waren von den Socken. Gewissermaßen eine kulturelle Vollbremsung nach so viel zurückhaltender und aufrichtiger Freundlichkeit, die wir in der ersten Woche als Fußgängertourist Segeltörn auf Lefkas erfahren haben.

Wir stiegen auf nach Spartakhori und hatten noch einmal von oben einen atemberaubenden Blick auf Porto Spilia, wo wir festgemacht lagen und auf die nördliche Inselwelt und konnten im Prinzip unseren ersten Schlag noch einmal aus der Vogelperspekive nachvollziehen.

Image removed.Ein herrlicher Tag unter Segeln. Traumhaftes Wasser und endlich mal kein Ölzeug. Maestro blies heute mal aus der wohl seltenen südlichen Richtung, war uns aber ziemlich egal; ganz hervorragend lief die „Dakry“ an der Kreuz.

Mittlerweile ist das Ankern auf Skorpios, der ehemaligen Onassis-Insel nicht mehr gestattet, da sie nun ganz und gar im Privatbesitz einer russischen Oligarchen-Familie sein soll; Leinen und Bojen versperren den Weg in die Buchten. Überhaupt scheint es jetzt zu einem Ausverkauf der ionischen Inseln zu kommen. Offenbar zwingt die Finanzkrise viele griechische Familien ihren Privatbesitz zu verhökern. Gleichgültig ob arabische, russische oder britische Milliardäre, was nicht niet-und nagelfest ist, wird versilbert. Neben der Insel Oxia und Patroklos soll nun auch der Südteil von Meganisi von einem schweren Investor übernommen werden, der laut Zeitungsberichten plant, dort Luxusvillen zu errichten. Schnelles Geld statt Reformen, eine bedenkenswerte Haltung.

 

 

IV. Flaute bis zum George nach Kalamos

Ein kurzer, warmer Schauer weckte uns am nächsten Morgen und auch am 2.Tag nix von  dem so vermeintlich stetigen Maestro zu sehen, nur die Andeutung einer Brise aus der seltenen Richtung aus Süd. Das Spielchen kannten wir schon, von unseren Törns zuvor mit Nam Kok. Scheinbar wird das Eintreffen des Unwahrscheinlichen für uns zu einer konstanten Größe, wobei wir uns diesmal fest vorgenommen hatten, flexibel darauf zu reagieren. Für den Anfang blieb jedoch keine Wahl, wir mussten erst einmal raus aus der Bucht von Lefkas in südliche Richtung, um in den Genuss der Ionischen Inselwelt zu gelangen.

Kalamos stand auf dem Plan, ca. 15 Seemeilen entfernt und pünktlich als wir an die Kreuz gehen wollten, schlief der Wind vollkommen ein, wir trieben auf der Stelle. Auch der Hafenmeister von Kalamos namens George war allerseits bekannt und wir waren nicht gewillt, bei unserem ersten Anlegemanöver vor Buganker in einen gefüllten Hafen und einen wahnsinnigen Hafenmeister zu gelangen.

Die 45 Volvo-Pferde sollten uns recht zügig unter dem grauen, feucht-schwülen Himmel durch die Meerenge zum griechischen Festland vorbei an Mitikas führen. Kaum ragte unsere Nase aus der Abdeckung der Insel heraus, kam ein herrlicher Südwind auf und wir nahmen die Einladung dankend an, die letzten Meilen bis Port Kalamos unter Vollzeug zu segeln; so hatten wir uns das vorgestellt.

Der Hafen war in der Tat noch reichlich leer, als wir mittags einliefen. Nur eine französische, klassische Ketsch lag bereits festgemacht am Anfang der Mole und da war auch schon George. Unverkennbar, obwohl wir ihn noch nie zuvor gesehen hatten. Unser Manöver war intern bereits hundert Mal besprochen, es musste nur noch so umgesetzt werden.

George stand in Luv neben dem Franzosen an der Pier und bedeutete mir einen großen Bogen zu fahren, dann rechtwinklig zur Pier und parallel zur dort liegenden Ketsch. Seine langsamen Armbewegungen dirigierten mich nun weiter voraus und als diese immer langsamer wurden, nahm auch ich Gas raus, bis er dann die Arme über sich kreuzte. Es kam mir vor, als würde er ein Flugzeug einweisen, und ich brachte  „Dakry“ zum Stehen. Wir waren jetzt geschätzte 4 Schiffslängen von der Pier entfernt als George auf einmal seine Arme in einer sportlichen Kniebeuge zu Boden fallen ließ. Auch das war mehr als eindeutig. Corinna ließ den Anker über die elektrische Winsch kontinuierlich ab, während ich nun versuchte, unser Schiff rückwärts an die Pier zu steuern, wiederum begleitet von George’s klaren, winkenden Einweisungen bis zum abschließenden Festmachen. Daumen hoch nach dem Eingraben des Ankers mit der Winsch und Ausbringen der Gangway. „Hello, good afternoon, I am George. Welcome to Kalamos“, begrüßte er uns mit tiefer, brummiger Stimme. Ein äußerst freundlicher Empfang, den wir in dieser Form, vor allem nach dem vorigen Tag absolut nicht erwartet hatten und eine Wohltat für uns bei unserem ersten Anleger dieser Art.

Image removed.Es war wirklich noch früh am Tag. Wir packten die Tasche für einen ausgiebigen Landgang, über die Hügel der Insel, hindurch duftender, wilder Thymianfelder bis an eine Badebucht an einer ehemaligen Mühle mit Blick auf die Insel Kastos und Port Leone. Ein paar hundert Meter weiter ein Holzsteg, der ins Meer hineinragte. Eine Bretterbude und eine verträumte, junge Wirtin. Das „Mythos“-Bier zischte in der Sonne am Nachmittag. Sie schien glücklich, vertieft in ihrem Buch auf dem Sofa unter dem Blechdach und schielte ab und zu verschmitzt zu uns herüber, als Corinna im weißblauen Kleid und Strohhut für ein Foto und  für mich auf dem Steg posierte. Auch wir waren glücklich. So langsam erreichte auch uns die griechische, zufriedene Langsamkeit.

Kurz vor  dem Sonnenuntergang waren wir wieder zurück im Hafen und in  George’s Taverne direkt am Wasser, alle Tische gedeckt. Es wurde jetzt voll im Hafen, die restlichen Boote legten an. George war in der jetzt aufkommenden Hektik immer noch die Ruhe selbst. Dirigierte wie bei uns, kommandierte auch schon mal ziemlich lebhaft, jedoch stets freundlich dabei. Dann raste er wieder los, um das nächste einlaufende Boot zu lotsen. Großes Kino zum frittierten Saganaki-Käse als Vorspeise. Danach wartete auf Corinna eine gebratene Dorade und für mich Tintenfischchen mit Zwiebeln, Fritten und Tsatsiki. Paradiesisch und ich glaube, wir haben uns auch ziemlich einen gezwitschert unter dem spätsommerlichem Sternenhimmel, mit einem traumhaften Tag im Rucksack.

 

V. Ankern und Ritt nach Ithaka

Klar und ungewöhnlich frisch war es am nächsten Morgen. Ein guter Kaffee und der kleine Kater war so gut wie vergessen. Wie aber sollte das Wetter die nächsten Tage werden? Die Mannschaften aller Boote rannten mit ihren neumodischen Tabletts hin und her, um irgendwo im Hafen einen Empfang für einen Online-Wetterbericht zu bekommen. Auf diesem kleinen Eiland war in dieser Richtung nichts zu machen. Griechisches Radio, kein Internet. Die einheimischen Fischer kümmerte es nicht und George sprach von einem wahrscheinlich sonnigen Tag mit wahrscheinlich etwas Wind. Ich rief Tamara, meine Kollegin im Büro an, die mir über Windfinder heute Mittag Wind aus NW mit 3 ankündigte, danach wieder Flaute. Panos aus Lefkas schickte per SMS quasi die Bestätigung, packte jedoch für den heutigen Tag noch eine kleine Windstärke drauf.

Image removed.Image removed.Keine Eile für uns. Am späten Morgen liefen wir aus und steuerten unter Maschine Kastos, die Nachbarinsel an. Es boten sich herrliche, großzügige Buchten an weißen Sandstränden. Ein Riesen-Katamaran lag bereits dort und auch wir entschieden uns für einen Stopp auf dem Weg nach Vathi im Westen. Die „Dakry“ parkten wir mit unserem Salatanker nur mit einer handbreit Wasser unter dem Kiel vor dem Strand. Smaragdgrün schimmerte das Badewasser. Eine solche Bucht braucht wahrlich nicht den Vergleich mit der Karibik zu scheuen und für uns bleibt bis heute immer noch fraglich, warum wir von dort relativ schnell weitergezogen sind. Sicherlich hatten wir nach den zahlreichen Anläufen keinerlei Vertrauen in unseren Anker und auch die schwachwindige Wetterprognose für die nächsten Tage trieb uns weiter. Rückblickend sind auch wir wahrscheinlich in solchen Momenten noch nicht reif genug, raus aus dem beruflichen Alltag, die Chance für ein kurzes Leben als Robinson zu erkennen, das wonach wir glauben zu streben. Und  sind dann doch noch zu nah dran, an der Vernetzung zur ganzen Welt, nicht in der Lage uns von unseren eigenen Sinnen leiten zu lassen.

Corinna wurde mittlerweile vom Sonnenbrand bedroht. Wir entschlossen, uns Anker auf zu gehen und den Schlag über 20 Meilen nach Vathi rüber zu segeln. Ich kalkulierte 4 Stunden.

Der Himmel immer noch strahlend blau, das Wasser jedoch irgendwie bewegter als sonst. In der Ferne schien das Wasser noch aufgewühlter zu sein, so jedenfalls der Eindruck durch das Fernglas. Kaum waren wir aus der Abdeckung von Kastos heraus drehte der Wind schlagartig auf. Aus der Schmusebrise wurden im Handumdrehen 30 bis 32 Knoten; schon wir lagen auf der Backe. Aus Bikini wurde dicker Pullover und schnell waren die Segel gerefft. „Dakry“  donnerte ausgewogen getrimmt und hoch am Wind. Der Maestro versuchte jetzt seine Ausfälle der letzten Tage zu kompensieren und blies kräftig aber sehr stetig aus Nord-West, sodass es ein purer Genuss war das Schiff gegen die glitzernde Gischt zu bolzen, wobei ich gestehe, dass ich unsere kleine dicke „Nam Kok“ noch lieber geritten hätte.

Der Wind drehte zu unserem Gunsten. Wir passierten im Galopp die kleine Insel Nikos in Lee und konnten den Kurs schon fast an die Einfahrt nach Vathi ohne weitere Kreuzschläge anlegen. Kurz vor dem Erreichen der Insel Ithaka ging es richtig zur Sache. Dem Windmesser konnte ich kaum noch trauen. 40 Knoten standen auf der Uhr, bedingt durch Fallwinde von der steilen Felskante. Zur finalen Ansteuerung bargen wir die Segel und wurden unter Maschine auch ohne Tuch schon fast auf die Kante gedrückt. Nach einem Abzweig nach Backbord in die weitläufige Bucht von Vathi blies der Wind nun direkt aus dem Rücken aber immer noch richtig fett, mehr als genug.

Image removed.Am Anleger der Westpier war wieder ein mit den Armen fuchtelnder Typ u erkennen, offenbar der Hafenmeister. Er stand ganz ruhig an der Pier und wies uns in eine Lücke, die ich ohne ihn nie im Leben angelaufen hätte, schon 3-mal nicht bei diesem krachenden Seitenwind, wieder vor Bug-Anker. In Luv lag eine Italiener-Crew, in Lee ein wunderschönes, altes Motorschiff aus Belgien. Wir nutzten die gesamte Kettenlänge aus, ließen den Anker weit vorm Festmachen fallen und ich gab alles, um den ausbrechenden Bug immer wieder einzufangen und die schmale Lücke zu treffen. Der Windstärke entsprechend palaverten alle Unbeteiligten lautstark. Jegliche Kommentare ignorierten wir in alter holländischer Weise, hielten den vollen Schwung bei, um weiter in die Lücke zu rangieren, sehr zum Entsetzen der Holzbootmutti. Corinna hatte das Dosieren der Ankerkette voll im Griff, und trotzdem das Holzboot  im Blick, kickte routiniert noch einen Fender dazwischen, während ich mit dem Festmachen im Heck beschäftigt war. Nur der Hafenmeister war die Ruhe selbst, belegte unsere Leinen mit einem wohlwollendem Nicken und ich gestehe, stolz wie Oskar gewesen zu sein, nach dem Anlegemanöver bei diesem Hack von der Seite. So darf sich auch meine Frau auf dem Vorschiff fühlen, ganz alleine mit  Winsch, Fendern und nervösen Nachbarn. Kein Vergleich großen Besatzungen anderer Schiffe, die in solchen Momenten mehr als 2 Hände haben.

Unter Deck sah es aus wie auf einem Schlachtfeld und zum Glück war unser Mythos-Bier noch eiskalt. Wir waren angekommen und für einen Mittag wieder im  Element. Kampfsegeln par excellence. Immer noch peitschten die Böen gepfeffert durch die Bucht. Der Abendhimmel wolkenlos und fauchende Böen wie aus dem Nichts, ohne Vorwarnungen. Wie griechische Katzen.

 

VI. Zurück nach Norden bis Sivota

In der Nacht legte sich der Wind,  immer noch keine Wolke am Morgenhimmel. Noch drei Tage vor uns und es war Zeit so langsam den Rückweg zurück in den Norden anzutreten. Eilig hatten wir es auch heute nicht. Die Hafenstadt Vathi mit malerischen Gassen erschien uns auch zu einladend für einen Bummel und einen Cappucino in einem der Straßencafés. Die Einheimischen hatten die Ruhe weg. Wir auch.

Am Mittag legten wir ab, planten noch eine Badepause in einer angeblich sehr schönen Bucht auf der Insel Arkoudhi ein. Es regte sich jedoch kein Lüftchen. Offenbar hatte Maestro sein Pulver schon verschossen. Dabei grüßten wir Rasmus täglich mit einem kühlen Ouzo. Sollte ihm der griechische Anis-Schnaps nicht bekommen?

Wieder mussten wir den Diesel bemühen. Das Meer spiegelglatt, der Lorenz am Himmel knallte. Kurs Nord-Nord-Ost. Wir warteten förmlich darauf, dass sich mal ein paar Delphine zeigten, die es hier geben soll, aber nichts tat sich in der Hitze. In der Seekarte waren für diese Position 314 Meter verzeichnet, die tiefste Stelle unserer Reise. Corinna wollte noch nicht einmal den Fuß zur Abkühlung ins Wasser halten, aus Angst vor Meeresungeheuern; ich selbst war einfach nur viel zu faul.

Image removed.In der Ferne endlich etwas Bewegung, eine Riesenfähre zog ihre Bahn. Ziemlich schnell zog sie sogar und nach meiner Einschätzung musste eine Kursänderung erfolgen, damit der weiße Dampfer nicht auf die Insel zulief. Nur wann würde er das Manöver einleiten? Zieht er noch vor uns durch? Was hat er vor, fragten wir uns als er immer näher kam. Ich ging unter Deck zum Funkgerät und meldete mich auf Kanal 16: „Anek Line. Anek Line Anek Line. This is Dakry“. Es rührte sich nichts. Ich wiederholte meinen Funkruf und fragte an, was sie vorhatten. Kaum hatte ich gesprochen, bog die Fähre wie erwartet ab und hielt in vollkommender Ignoranz genau auf uns zu. So richtig sah ich mich nicht gewillt nach deren Pfeife zu tanzen, zumal  das Wegerecht gemäß KVR klar auf unserer Seite lag. Eigentlich fühlte ich mich sogar in der Dreistigkeit, nicht auf meinen Funkkontakt zu reagieren, herausgefordert, jedoch lenkte meine weise Frau ein und ich drehte ab.

Unsere Wunschankerbucht später auf Arkoudhi war mit 2 dort liegenden Booten bereits überfüllt, eine weitere gab es auf dieser Insel nicht; wahrscheinlich waren wir noch zu früh in der begonnenen Nachsaison unterwegs, um einen solchen Ankerplatz einmal für sich zu haben.

Sivota, ein idyllischer Hafen im Süden von Lefkas befand sich nun nicht mehr weit entfernt. Im Stile von Mama Schettino nahm Corinna die Ansteuerung vor, hindurch den S-förmigen Verlauf der fjordartigen Bucht, schnibbelte dabei die Kurven dicht an den Felsen am Ufer. Mir blieb die Luft weg, als unser Echolot von 30 Meter auf nur noch 5 schnellte und ein kleiner Rocky an uns knapp unter der Wasseroberfläche vorbeischoss.

Image removed.Mittlerweile geübter setzten wir zum Anlegemanöver an, mit dem Heck voraus zur Pier. Der Anker lag, die Kette rauschte langsam aus. Wir mussten schwer aufpassen, dass wir beim Auswerfen der achterlichen Festmacherleinen nicht direkt den Retsina-Wein von den gedeckten Tischen der Tavernen unmittelbar am Ufer fegten. Es war nichts anderes als ein traumhaftes Gefühl, schon mitten im Schoß der kulinarischen Genüsse des Landes festzumachen.

 

 

 

VII. Sirtaki

Image removed. Der Wetterbericht von Panos, wieder per SMS, versprach heute den Maestro mit 2-3 Windstärken aus Nord-West und wir entschieden uns zunächst auf raumen Kurs südlich um Meganisi herumzusegeln, leider hatte Maestro dann mit dieser Vorhersage nichts am Hut, wie sich dann auf dem Wasser herausstellen sollte. Der Kerl machte einfach was er wollte, drehte den Spieß um und blies aus Süd. Wir konnten gut damit leben, änderten Kurs und Pläne, segelten durch die Meerenge von Lefkas nördlich um Meganisi herum, legten noch eine Schnorchel-und Ankerpause in der Ormos Kapali ein, bevor wir den letzten Hafen  vor unserer Heimkehr erreichen sollten. Hier trafen wir nicht nur Elke und Harald vom KSV wieder; auch Eva erwartete uns bereits am Anleger und lud uns gleich zu einer Grillparty an einer nicht weit entfernten Strandbude ein. Irgendwie verrückt, dass wir so unverhofft mit unseren Krefelder Segler-Kameraden am anderen Ende Europas im Sand unter lauem Himmel zusammentreffen Gewissermaßen nun der große Vereinsabend im Kreise der Segelschüler und Lehrer von Meganisi-Sailing. „Na Babe, wieviele Meilen habt ihr denn so gerissen?“ Mir fiel mein Souvlaki-Spieß aus der Hand, als Corinna von der Seite abgecheckt wurde. Ein Typ wie Klaus-Maria Brandauer. Smart, charmant, selbstverliebt. Nebenbei Segellehrer und Platzhirsch. Und eben ein Arsch.  Corinna holte tief Luft, berichtete dann recht kühl und reduziert von unseren „gerissenen Meilen“ und gab dem großen Meister zu verstehen, dass er sich doch ein anderes Babe zum abmustern suchen sollte. Wow. Nicht nur  die besten Souvlaki-Spieße meines Lebens sollten mir in langer, guter Erinnerung bleiben.

Ein Absacker musste nun her und Vathi, ein kleines Kaff auf der kleinen Insel war nicht weit. Wir marschierten die 2 ½ Kilometer auf der autofreien Landstraße, balancierten fast betrunken auf dem Mittelstreifen und nahmen jede Kurve unfallfrei. Die Sterne funkelten am Himmel und vor uns ein strahlend leuchtendes „Mhytos“-Schild in geringer Ferne, mittendrin und noch reichlich vor dem Dorf. Eine fast verlassene Taverne mit bizarrem Charme. Versunken in sich selbst legte die junge Wirtin über Laptop und Youtube auf, drehte mit ihren Fingern gelangweilt ihre Locken. Die Musik, äußerst außergewöhnlich; sie spielte Walzer. Mitten in Griechenland. Stavros, dem einzigen Gast schien es zu gefallen. Unsere Stimmung ähnlich beschwingt, wenn auch nicht ganz so klassisch. Wir verstanden uns auf Anhieb. Völkerverbindend fiel mir von den Blääck Fööss gleich ein Sirtaki ein, der unsere einheimischen Sportsfreunde erst verhalten dann aber voll und ganz von den Bänken riss. Wir tanzten zusammen griechisch Arm in Arm im Kreis nach kölschen Tönen „…und der Costa spellt Bouzouki, an der Quetsch do spellt der Hein. Miki danz Sirtaki. Jeder föhlt sich wie daheim.“ Wir alle vier werden diesen großartigen rheinisch-griechischen Abend lange nicht vergessen, genauso wenig wie die 13 Ouzo danach bei „griechischem Wein, so wie das Blut der Erde, komm schenk dir ein…“. Ever einmol muss man heimjonn, morjen weed et wedder schwer.

VIII. Rolling Home

Maestro hatte heute am letzten Tag die Chance sich für uns zu beweisen. Wind aus Nord oder Süd, wir hätten alles gerne genommen, aber so verwirrt wie er scheinbar war, hielt er sich vornehm zurück und bescherte uns zur letzten Etappe eine trostlose Flaute. Über seine Launen konnten wir allerdings leicht hinwegsehen, heimlich wünschten wir uns sogar für unsere Gefilde gelegentlich mehr Milde.

Noch einmal nutzten wir kurz vor dem Ziel die Chance in einer Bucht bereits am Festland vor Anker zu gehen. Somit hatten wir auch noch einmal die Gelegenheit beim Schnorcheln uns von den Fähigkeiten dieses Eisens aus nächster Nähe zu überzeugen. Auf dem Rücken lag er, wie eine läufige Hündin. Alle Viere von sich gestreckt. Obwohl wir ihn ordnungsgemäß Image removed.sachte unter Maschine eingegraben hatten, brach er selbst nach Schwojen in Folge von schwachen, drehenden Winden wieder aus und hielt sogar auf einem groben Sandgrund nicht, auf dem man erwarten kann, dass selbst eine Kuchengabel an einem Pfund Kette ausreichen sollte. Eine eindrucksvolle Demonstration über die Wichtigkeit eines solchen Festmachers auch hinsichtlich größerer Vorhaben, leider auch eine Bestätigung unseres Misstrauens während unserer Woche. In den Häfen hielt der Salatanker wahrscheinlich nur, weil „ Dakry“  halbwegs festgemacht und somit so gut wie bewegungslos lag. So haben wir uns eher in unserer Freiheit beschränkt gesehen, hinsichtlich einsamer Ankerbuchten auch über Nacht, was jedoch unseren Eindruck über eine wundervolle Woche keineswegs trüben sollte.

Das letzte kühle Bierchen im Cockpit gönnten wir uns nach 7 Tagen und 100 Meilen, wieder an einem lauen Abend. Die Zeit verging wie im Flug und wir blickten zurück auf eine bezaubernde Inselwelt, die hielt was sie versprochen hatte. Jedoch waren wir unerwartet verzaubert  von den Griechen selbst, sei es Panos und seine Virginie, George, oder Christina in deren Taverne wir kölschen Sirtaki gerockt hatten bis zum Morgengrauen.

Image removed.Motiviert und voller Tatendrang dachten wir zurück an unsere „Nam Kok“, die uns hoffentlich verzeihen wird, dass wir eine Woche fremdgegangen sind. So ließen wir unsere Gedanken schweifen und nahmen sie mit in unseren Träumen auf die nächste Reise, ganz egal wohin. Nur Havanna muss wohl noch warten.

09. Juli 2014

Frank Steinbrecher

 

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