Nur ein neuer Kiel

Submitted by admin on Fri, 04/10/2015 - 23:52

Aus dem Logbuch der „Nam Kok“ 2013 bis 2015

 

I.Intro

Image removed.Mehr als ich lange Zeit zugeben wollte, hat der Kiel rumpelnd in den Ohren geklungen. Unser letzter Ritt über die rauschenden Wellen der Nordsee liegt bereits zwei Sommer zurück. Seinerzeit waren wir begeistert, geradezu berauscht von der Lebendigkeit der Nam Kok, wie sie wie noch nie zuvor zeigen konnte, was in ihr steckt. Kaum einen Zweifel hegten wir nun in Ihrer Seetüchtigkeit. Das dumpfe, schlagende Geräusch ignorierten wir. Es war uns klar, dass hier etwas getan werden müsste, aber zu diesem Zeitpunkt standen alle Gedanken in dieser Richtung hinten an.

Im folgenden Herbst holten wir die Nam Kok nach 4 Jahren in Holland wieder in die Heimat zurück. Wieder über die Kanäle, wieder über Groningen, den Haren-Rütenbrock-Kanal, Dortmund-Ems, Rhein-Herne und schließlich das kleine Stück über den Rhein. Über diese Tage, gemeinsam mit meinem feinen, ehemaligen Kollegen Christoph hatte ich reichlich Zeit, mir Gedanken zu machen, während er ausdauernd am Steuer stand. Ich legte mein Ohr an alle Stellen des Kielkastens, bei gesenktem und gehobenem Kiel. Es war so eindeutig, den Verschleiß auszumachen und doch so schwierig, die einfache und entscheidende Lösung zu finden.

Im Winter ließen wir uns von Spezialisten beraten, die reichlich Erfahrung mit Schwenkkielen mitbringen. Mit Peter, einem Marine-Ingenieur aus England, den wir auf der Staande-Mastroute kennengelernt hatten, diskutierten wir über Keile, die einzubringen sind und alles Mögliche, um die Sache zu kitten. Bei allen Betrachtungen verdichtete sich jedoch immer weiter eine Grundsatzfrage: Ist da Schiff mit dem kleinen Schwenkkiel wirklich seetüchtig und kentersicher, abseits der Geräusche? Reicht unser Gefühl aus, auch wenn dieses voller Zuversicht ist? Wir wollten der Wahrheit auf den Grund gehen, fanden in Friesland einen Schiffsarchitekten, der im Fall des Falles auch mit einer Werft in Stavoren zusammenarbeitet, sollte der Kiel umgebaut werden müsste.

 

II. Stabiltätstest

 

Das Büro von Hans lag standesgemäß direkt an einer Gracht in Heeg, einem kleinen, traditionellen Seefahrerdorf. Das Besucherzimmer wie ein großer Wintergarten, an den Wänden  Konstruktionszeichnungen von Trawlern, Kuttern und sogar kleinen Passagierschiffen. Die Entwürfe der Segler wären sein Hobby. Alles sehr professionell.

Ich hatte alles dabei, was ich nur dabei haben konnte. Fotos, Bleistiftzeichnungen auf vergilbten DIN-A-2-Papier, die Reiner selbst angefertigt hatte, die Grundlage der Nam Kok.

Mir war etwas unwohl, ob mich der große Meister so überhaupt ernst nehmen würde, bei diesen Gegensätzen.

Mit dampfendem Kaffee in der Hand und hochgezogenen Augenbrauen studierten wir die 3 vorhandenen Zeichnungen wie Schatzkarten. Langsam wich die ganze Aufgeregtheit. Hans blickte wohlwollend auf diesen Entwurf, begegnete der Nam Kok mit großem Respekt und wusste das Schiff zu charakterisieren, ohne es jemals gesegelt zu haben. Ich erzählte von Reiner,  seiner Geschichte und dem Werdegang der Nam Kok, wünschte mir dabei sehr, wenn er  diesen Augenblick der Anerkennung hätte erleben können.

Image removed.Zurück in Krefeld war alles wie besprochen vorbereitet. Das Schiff beladen. Der Mast stand. Alles im segelfertigen Zustand. Mehrere 25-Liter-Wasserkannister standen bereit. Das Schiff vertäut in der Box. Währenddessen hatte Hans die Zeichnungen in sein CAD-Marine-Berechnungsprogramm eingegeben. Jetzt ging es um den Stabilitätstest. Kein Wind, kaum Welle.. Ideale Bedingungen. Bei dampfenden Kaffee befestigte Hans im Salon eine Lotschnur bis auf den Decksboden und ließ sie zur Dämpfung in ein großes ölgefülltes Glas eintauchen. Ein Nullpunkt wurde festgelegt. Zur ersten Messung mussten wir wie bei jeder anderen von Bord gehen, jedes Kilo zählt, sagte Hans. Anschließend brachten wir die Ballast-Wasserkanister jeweils nach Backbord, danach nach steuerbord aus, während Hans unten die Messungen vornahm.

Eine Woche später besuchte ich  Hans wieder in Friesland, um das Ergebnis der Stabiltätsprüfung zu besprechen, diesmal gemeinsam mit Corinna. Ich war sprachlos in Angesicht eines 30-seitigen Panfletes. Unaufgeregt kam Hans zur Sache. „De Scheep is goed. Dat is stabil.“ „Was heisst das, erfüllt es die CE-Norm?“  „Ja, eigentlich schon.“ „Eigentlich…?“ „Ja well, die CE-Norm… Schreibt einen Kenterwinkel vor, wo sich das Schiff wieder aufrichten muss. Das kann das Schiff. Und dann gibt es da noch so einen Flutungswinkel. Ja, und weil der Niedergang nicht zentral, sondern rechts liegt, läuft das Schiff bei einem Winkel voll, der 2 Grad unter er Norm liegt.“ „Aber Hans“, frage ich, „bei über 80 Grad Krängung und so einem Wind und Wetter sind bei uns doch keine Türen offen, alle Schotten dicht.“ „Bei mir auch“, sagt Hans und deswegen solle man doch nicht auf so eine komische Norm hören. „Dafür habe ich noch einmal nach der holländischen Norm ein anderes Verfahren gerechnet, das nicht fragt, bei welchem Winkel ein Schiff kentert, sondern bei welcher Kraft.“ „…und?“ „Ja was soll ich sagen, das Schiff ist wirklich stabil, Ihr müsst schon absichtlich alles falsch machen, um es umzuschmeißen.“ Nun schaltet sich Corinna ein: „Hans, würdest Du mit der Nam Kok über den Teich segeln?“ Hans lachte. „Sicher Mevrouw, wenn wir noch ein paar Amsteltje an Bord bringen, kann es gleich losgehen!“  Die Nam Kok hat bestanden. Wenn da nur nicht unser Rumpelkiel wäre…

 

III. Einzug in die Halle

 

Image removed.Endlich an Land in Krefeld und aufgebockt konnten wir das Ausmaß noch deutlicher erkennen. Der Kiel bewegte sich in der Längsachse wie die Glocke von Notre-Dame. Kein Keil oder sonst eine überkandidelte Konstruktion könnte die Situation retten.

Ohne eine Entscheidung in der Tasche, haben Corinna und ich den Sommer in der Halle an unserem Schiff geackert. Wenn ihre Freundinnen den Bikini am Strand ausführten, schuftete sie an Bord im Blaumann. Geschliffen, entrostet, grundiert, wieder geschliffen gespachtelt und alles von vorne, bis der komplette Rumpf glatt und geschmeidig war. Der Schwenkkiel mit seinem ausgeschlagenen Kielbolzen blieb unser größtes Sorgenkind.

Einfach demontieren lässt sich der Kiel keineswegs; seinerzeit hatte Reiner den Kiel ein-und das Schiff darumgebaut. Immer intensiver mussten wir und mit dem Gedanken beschäftigen, diese herrliche Eigenschaft eines variablen Tiefganges opfern zu müssen und in einen starren Kiel zu investieren, der das Ende einer Flachwasser-Ära, aber auch das Ende unsere Sorgen herbeiführen würde. Aber welch eine Aktion würde das sein, mal so eben einen Kiel abschneiden und einen neuen anschweißen. Sehr leicht gesagt. Und auch das fällt alles andere als leicht. Schließlich wurde der Entscheidungsprozess durch einen alten Düsseldorfer Hafenkameraden begünstigt, der uns Reiner‘s eigene Zweifel an der Funktionstüchtigkeit des Kieles überliefert hatte und seinen eigenen Absichten, das Ding fest zu schweißen, bevor es auf große Tour gehen sollte. Und auch wir waren die Problem und Sorgen mit diesem Kiel leid, die endlos zu sein schienen. Nun waren wir gefragt, den großen Schnitt zu machen, die ursprüngliche geplante Rumpflackierung erschien hierbei nur noch wie Kosmetik. 

 

IV. Kampf mit dem Kiel

 

Verschiedene Vorgehensweisen wurden diskutiert. Von wegen Kielkasten aufschneiden, kurz raus aus der Halle, Plasmaschneider, Kiel trennen, neuen dranschweißen und fertig. Und alles sollte beim Kielkasten beginnen. Eine 10 mm auf geschweißte Platte. Mitten im Salon. Corinna mochte nicht daran denken, wenn wir alle schönen Möbel in Schutt und Asche legen. An einen Komplettausbau war nicht zu denken.

Soweit es ging baute ich alles aus. Installierte einen provisorischen Holzboden und klebte alles mit Folie innen ab. Mit Böcken und Schweißbrandschutzdecken baute ich eine Art Fußballtor in dem alle Funken und Späne reingeschossen werden sollten und schneller als jemals gedacht, hatte Marcel den Kielkasten mit der Flex geöffnet und das Dilemma zu sehen. Rost nichts als Rost und ein Kielbolzen mit so viel Spiel, sodass unsere Entscheidung an dieser Stelle nur noch bestätigt wurde.

Image removed.Das Schiff durfte für alles Weitere in der Halle stehen bleiben, wenn auch außen alles zum Schutz abgehängt würde. Jetzt war der Kiel dran. Die große Stunde von Marcel, unserem jungen, schlaksigen Freund aus dem Düsseldorfer Hafen hatte geschlagen. Zunächst wollten wir nur ein kleines Dreieck abschneiden, um den Kiel dann ganz abzulassen, und den Kiel dann am höchsten Punkt zu trennen. Wir erwarteten die Außenhaut aus Stahl die man erst mit dem Winkelschleifer schneidet und das Innenleben aus weichem Blei, was man dann mit einem elektrischen, langsamen Fuchsschwanz sägen könnte. Eine naive Vorstellung, 20 cm dickes Blei zu zersägen. Ganz kläglich scheiterten wir.

Wir bohrten so weit oben wie möglich. Kein Span wies mehr auf Blei hin. Wir mussten direkt oben ran. Dafür waren wir nicht hoch genug aufgebockt. Was wären wir ohne Erhard unseren Hafenmeister, der kurz-und schmerzlos den Trecker und hydraulischen Hafentrailer startete und uns einen halben Meter höher hob. Der Kiel konnte nun voll ausgefahren werden, die letzte, traurige Aktion in der Geschichte der Kielwinsch.

Image removed.Nun der 2.Akt. Marcel flexte, sägte wie ein Derwisch mit Schaum vor dem Mund. Holte in gesägten Ausschnitten bereits Blei heraus, trennte alle Spanten und alles was im Weg stand, bis der Kiel noch irgendwie an einem Zipfel hielt, aber dann doch nicht fallen wollte. Auch Erhard war jetzt vom Fieber befallen und wir traktierten den armen Kiel nun zu dritt mit Brechstangen, bis klar war, wo er hing. Angespannt pirschten Erhard und ich uns heran, als wollten wir ein Ungeheuer erlegen. Erhard voran rüttelte immer wilder. „Steini, Steini weg, weg hier!“ Er brauchte nicht zu schreien, klar was nun passierte. Wie ein Ringer riss ich Erhard zurück, der mich dann fallend begrub. Der tonnenschwere Kiel polterte an uns vorbei dumpf auf den Boden. Die Halle vibrierte in ihrem Fundament. Danach nur noch Stille. Der Kiel war erlegt. Die Arbeit getan. Glück verspürten wir dabei nicht.

Die weitere Idee das obere Teil des Kiels nun leicht nach oben zu entfernen, versank in einem weiteren Anflug allgemeiner Naivität. Der Kielbolzen ließ sich nicht um’s Verrecken nur einen Millimeter bewegen, geschweige denn ziehen. Ein weiterer Marcel und routinierter Schlosser nahm sich der Sache mit einem Schneidbrenner an, mitten im Salon, unterschätzte das Ganze dabei gewaltig und verwandelte den Bolzen in ein rotglühendes Stahlbad und das Innere des Schiffes in eine Sauna. Auch er vergaß im Eifer des Gefechtes alles um sich herum. Es roch wie ein schöner Holzkohleofen und die Bodenbretter kokelten vor sich hin. Ich kam gar nicht dazu daran zu denken, wie nicht nur das Schiff sondern die ganze Halle abfackelt und goss eimerweise Wasser auf das Holz während Marcel weiterbrannte. Wortlos verstanden wir uns prächtig in der Hitze. Kurz darauf war auch der Bolzen getrennt. Mit Stahlböcken und einem Kettenzug bauten wir kurzer Hand einen Kran und hievten nun auch das Oberteil aus dem Kielkasten heraus.

Image removed.Gleichzeitig nahm der lange, schlaksige Marcel draußen den Kampf zu seinem 3.Akt an und filetierte das Innenleben des Kiels, bis alle Bleibriketts entfernt waren und digital verwogen werden konnte. Auf diese Art landete der Ballast nicht auf dem Schrott, sondern durfte wieder in den neuen Kiel vergossen werden und romantisch weiter mit an Bord sein.

 

V. Sandstrahlen

Image removed.Ein paar Tage später saß ich mit Karl im Clubhaus zusammen und besprach mit ihm das Sandstrahlen, um den Kielkasten zu säubern und von Rost zu befreien. Karl ist für mich der größte Experte seiner Gattung. Ziemlich verrückt, aber äußerst erfahren bei allem was Lack und Rostschutz anbetrifft. Und sandstrahlen ohnehin, sein Alltagsgeschäft. Aber Sandstrahlen in der Halle, Sandstrahlen im Salon war auch für ihn neu und eine Herausforderung, wie für manch andere Autorennen in Monaco oder ein Hubschrauberflug durch den Keller. Auch das war leicht gesagt, alles kein Problem. Jetzt wurde es ernst.

Wir planten eine überdimensionale Absaugung unter dem Schiff zu installieren. Eine Art Rinne unter dem Kielkasten in die Karl dann von oben den Sand hineinjagen würde. „Unsere mobile Absaugung ist momentan auf einer Baustelle, ist aber bald zu haben.“ Karl drehte schon die nächste Zigarette. „Noch besser jedoch wäre, die stationäre Absaugung in die Halle zu fahren, mit richtig Leistung, Filter und allem was man braucht. Wäre eigentlich die bessere Lösung. Die Anlage steht bei uns im Betrieb, nur wie wollen wir das Riesengestell in die Halle bringen?“ „Und Steini“, fuhr Karl fort, „Paul unser Präsident macht Hackfleisch aus uns, wenn wir die Halle einnebeln und versanden.“ „Hackfleisch Karl, Hackfleisch? Was meinste was Corinna aus uns macht, wenn wir die Möbel wegpusten? Wir brauchen die beste Lösung! Nix anderes. Den Transport kriegen wir schon hin“, schnodderte ich zurück. Glücklicherweise bestehen noch gute Kontakte zu meiner ehemaligen Firma und zu Hamed, ein weiterer Freund der Familie und Tausendsassa der uns den 8-Tonner besorgt.

Wie Bankräuber, die ihren Plan verfolgen treffen wir uns an einem grauen, frühen Morgen im März bei Karl. Viele Worte brauchen wir nicht. Mit schwerem Stapler verluden wir das Monsterteil auf Hamed’s Laster. Dazu schwere, baumstammdicke PVC-Rohre. Schnell ist alles in die Halle gebracht. Eines der 6-Meter langen Rohre schneiden wir oben auf und bilden die Rinne unter dem Kielkasten. Mit Böcken und Hölzern wird alles verkeilt, Dichtungslippen seitlich angebracht. Wir schmeißen das Ungetüm an und konnten gleich am Schacht des Kielkastens einen guten Sog spüren. Unfassbar, was wir aufgebaut hatten.

Image removed.Wir ließen den Baustellenkompressor zum Sandstrahlen und die Monsterabsaugung an. Das hatte nichts mehr mit Hobbyschiffbau zu tun, sondern fühlte und hörte sich an wie Blohm& Voss auf der Werft. Entschlossen zog Karl seine Schutzausrüstung mit Beatmung an, als wollte er auf den Mond fliegen. Dann brach die Hölle los und Karl jagte den Sand mit  vollem Druck aus armstarken Schlauch auf den verrosteten stahl. Ohrenbetäubend. Ich hatte den Job, mit dem Hammer signalisierend auf den Schiffsrumpf trommeln, sobald Sand außerplanmäßig austritt. Nach ein paar endlosen Minuten hörte dieses mörderische Sandstrahlzischen auf. „Steini, wie ist die Lage“, fragte Karl, „kein Sand, kein staub?“ „Nein, nein“, büllte ich hoch, „alles im grünen Bereich!“

Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei. Der Kielkasten metallisch blank. Und nicht ein allermüdestes Sandkorn, was sich in die Halle verirren wollte. Alles sah aus wie zuvor.

Kein Staub, kein Sand. Rein gar nichts. Keiner hatte etwas bemerkt, wir hätten auch einen Rembrandt aufhängen können. Karl’s Rechnung ging auf. Eine einzigartige Aktion, ein Husarenstreich.

 

VI. Kielneubau

 

Hans, unser Schiffsarchitekt war bereits im Bilde. Keineswegs war er überrascht vom Zustand des alten Schwenkkieles. Nun lag der nächste, wichtige Schritt bei ihm und seinem Konstrukteur. Alle statischen Daten lagen ihm vor. Auch die Geometrien. Wir umrissen klar die Anforderungen an den neuen Kiel. Die Stabilität, nun mit möglichst ganz tief liegendem Ballast sollte gleich bleiben, oder gar erhöht werden. Tiefgang eins-achtzig und verbesserte Laufruhe.

Image removed.Nach ein paar Tagen lag der Entwurf von Christian, dem friesischen Konstrukteur vor. Ein junger Kerl, der auf Segler spezialisiert ist. Der Kiel erschien kurz, in Wasserlinie gesehen. Weniger Ballast als gedacht. Auch das bauchige, tropfenförmige Profil erstaunte uns. Aus der Ferne diskutierten wir die vorgeschlagene Konstruktion, simulierten am Rechner diverse Ballaste und Kenterkurven. Der bereits vorhandene Ballast erwies sich in den Nachrechnungen so stark, dass weiteres Gewicht die Stabilität nicht weiter erhöhen würde. Sie ist bereits mehr als ausreichend. Auch das heute ohne Kiel vorhandene Unterwasserschiff weist bereits eine Art Langkieler auf, wenn auch nur mit geringem Tiefgang. Warum zum Teufel fragte mich Christian, sollen wir jetzt auch noch einen langen Kiel konstruieren, der mehr Widerstand und auch mehr Auftrieb nicht sich bringt, was wieder durch Ballast ausgeglichen werden müsste.

Wieder zu Besuch in Friesland diskutierten wir zum Abschluss über die Tropfenform. Dieses moderne Profil wäre es, welches für stabile, kontrollierte Strömung sorgen würde und die Laufruhe in jedem Fall verbessert. In jedem. Er verglich den alten, profillosen Kiel mit einem dünnen Blatt Papier in einem Luftstrom. Ganz sicher würde das Papier anfangen zu flattern, weil die Strömung nicht laminar abreißt, einfach nicht kontrolliert ist. Wir standen in ständigem Kontakt mit Peter aus England, dem Navi-Ingenieur, der diese Theorien absegnete, obwohl er den Kiel gerne wohl etwas länger gesehen hätte, vielleicht Old-School.

Image removed.Ab jetzt lief alles synchron. Die Werft Heijsmann in Stavoren erhielt den Auftrag zur Fertigung des Kieles und von mir die entnommene Tonne Blei. In Krefeld schweißte Marcel die dicke Grundplatte unten in den Kielkasten, sodass dieser wieder verschlossen war. Zum Abschluss aller Vorbereitungen richtete Erhard die Nam Kok mit dem Hafentrailer  aus. Mit der Rahmenwasserwaage gemessen auf den Millimeter genau, ebenfalls ein Meisterstück. Heijsmann ließ es sich zu guter Letzt nicht nehmen, den vorgefertigten Kiel bei uns vor Ort auszurichten und anzuheften. Marcel, die Kante brauchte nur noch 3-lagig zu verschweißen und so spannend wie der Umbau begann, so unspektakulär sollte er enden. Nur das Finish der Lackierung und sogenannte Kleinarbeiten standen noch aus.

 

VII. Im neuen Glanz

 

Image removed.An einem Sonntag im Juli. Es sollte ein heißer Tag werden, wie in der Woche zuvor. Herrgottfrühe am Morgen, die Hallentore verschlossen. In der Halle jedoch schon stiller Betrieb. Außer Karl war kein Mensch zu sehen. So hat er es am liebsten zum Lackieren. Keiner soll ihm über die Schulter schauen. Kein Reden. Kein Radio. Nicht mal rauchen.

Nur die arschglatt geschliffene Oberfläche des Rumpfes. Eine Rolle. Lack. Und Karl auf dem Rollwagen, mit dem er sich in Arbeitshöhe um das Schiff hangelte. „Der Lack verläuft großartig“, schwärmt Karl, jetzt immer mit einer Hand in der Hosentasche. Er spiegelt sich im Bild der Lackierung und ich frage mich, ob er dabei irgendeine Genugtuung verspürt. Niemals würde er darüber sprechen, schon gar nicht während der Arbeit. So schweige auch ich, wobei ich meine Begeisterung kaum verbergen kann. Er jedoch sieht und riecht einfach nur Lack.

Die letzte Rolle läuft aus. Karl klettert langsam vom Rollwagen herunter. Eine Zigarette und das erste Bier. Immer noch sind wir alleine in der Halle, stehen schweigend vor dem edlen Resultat. Mittlerweile kenne ich seine Sprache. Leere Worte der Anerkennung sind ihm fremd, eher doch stille Zufriedenheit im Hochglanz der Nam Kok.

Die Sonne steigt schnell über dem Hafenbecken. Bald wird auch Corinna mit dem Fahrrad aus Düsseldorf kommen. Und beide sind wir schwer gespannt, was sie zu dem Ergebnis sagen wird. Karl noch mehr als ich.

 

 

VIII. Anlauf zur neuen Saison

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Das Werk der großen Meister der Schiffbauzunft war vollbracht, unser einziger eigener Beitrag dabei war, die Zügel in der Hand zu halten. Unvorhersehbare Überraschungen, wie das brennende Innenleben der Badeplattform und ein wahrscheinlich undichter Tank hielten uns noch mehr als ein weiteres halbes Jahr auf. Über das Thema der Fensterscheiben legen wir besser den Mantel des Schweigens. Unsere treuen Weggefährten der Baustelle Mark von der Teltow und Karsten mit seinem Riesenklopper haben vorgelegt. Nun scharrt die kleine, dicke Nam Kok mit den Hufen und will nur noch eins, zurück ins Wasser.

Wie sehr sind wir gespannt auf den neuen Kiel und das Ergebnis aller Anstrengungen

. Kaum können wir erwarten, wieder die Segel zu setzen, über das Meer zu rauschen. Vielleicht schaffen wir es in diesem Sommer endlich den Sprung über den Kanal zur Queen nach England. Für Nam Kok wäre es eine wahre Krönung.

Nur Havanna muss wohl noch warten.

 

Krefeld-Schweinebucht

10.April 2015

Frank Steinbrecher

 

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