Aufforderung zum Tanz

Submitted by admin on Sat, 03/19/2016 - 22:55

aus dem Logbuch der Nam Kok 2015

 

Ein Jahr länger als geplant lag die Nam Kok an Land, oder besser stand sie behütet im Bootshaus des KSVg. In seinerzeit beispielloser Aktion und nach schwerem Entschluss trennten wir uns im wahrsten Sinne des Wortes von dem Schwenkkiel, der uns unausweichlich künftig mehr Kummer als Freude bringen sollte und auch ebenso unumgänglich kaum zu retten war. Sicherlich nehmen wir somit die Möglichkeit, dass Schiff jemals auf den Flüssen des gedanklichen Ursprunges seines Erbauers zu bewegen, hoffen jedoch mit erhöhter Seetüchtigkeit andere Ziele seines nicht erlebten Traumes anlaufen zu können. So ließen wir die Nam Kok schiffstatisch kentertesten, die Stabilität berechnen und einen neuen, diesmal festen Kiel konstruieren und verschweißen. Die vorherige, höllische Abtrennaktion und das restlos verrückte Sandstrahlen im inneren des Schiffes mitten in der Halle mit industrieller Maschinerie wird nicht nur uns für alle Tage in Erinnerung bleiben.

Ursprünglich war geplant, das Schiff nach großer Einweihung direkt ins Wasser zu lassen und in den Sommerferien nach England zu segeln. Nach langem Endspurt mussten wir diesen Anstrengungen Tribut zollen. Unserer Kräfte waren kurz vor dem Ende. An eine Seereise mochten wir nicht mehr denken, auch wenn wir noch so neugierig ob der neuen Segeleigenschaften waren und Nam Kok zurück in die Fluten wollte, wo sie hingehört. Der Termin der Wässerung war quasi vorgegeben, durch Erhard, unseren Hafenmeister, der gleich danach mit Frau Maria den wohlverdienten Urlaub antreten sollte.

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Schon lange hatte ich es mir fest in den Kopf gesetzt. Keine Feier ohne roten Teppich. Um das Schiff herum sollte es aussehen, wie auf einem Messestand, wie auf der Bootsmesse oder noch besser. Wenn nicht in unserem Krefelder Seglerverein, wo sonst sollte eine solche Idee auf fruchtbareren Boden fallen? Kurz vor dem Hallenauszug verlegten wir den roten Messeteppich. Nur für diese Party versetzte Erhard noch andere Boote, um Platz für die Tanzfläche zu schaffen. Dort wo sonst gehobelt, geschliffen und lackiert wird, entstand nun an einem Mittag ein wahrer Festsaal, abgehangen von riesigen Gardinen.

Bratwurstdicke Kabel sollten 800W Boxen versorgen und 30 rote Bodenstrahler tauchten die rausgeputzte Hauptdarstellerin in zu ihrem neuen Outfit passenden Licht. Buffet und Bier waren geordert, wir waren für den Tanz bereit. Nur einer ließ es sich nicht nehmen und arbeitete die ganze Nacht, verlegte 100 Meter Kabel. Installierte die Nebelmaschine und unter das Hallendach und allen möglichen Positionen montierte er Strahler und Diskokugeln. Mit den Laserkanonen schoss Karl endgültig den Vogel ab. Es roch schwer nach einem unglaublichen Spektakel, mitten in der sonst staubigen Bootshalle.

Ganz kurz vor dem Eintreffen der ersten Gäste vollbrachten wir die letzten Handgriffe, bis auch ich aus dem wohlvertrauten Blaumann steigen und mich dem Anlass entsprechend im ClImage removed.ubblazer kleiden konnte. Helen, meine Steiftochter und Täuferin schaute sich ihre Bühne im Vorfeld schon einmal an und konnte einen kleinen Anflug von Nervosität nicht verbergen. Alle waren wir nervös, standen unter Strom, vor allem weil wir bangten, dass die Schampusflasche auch wirklich zerschellen würde, wie es bei einer Schiffstaufe üblich ist. Aber aus welchem Grund überhaupt Taufe, schließlich trägt das Schiff doch seit eh einen Namen, den wir im Leben nicht ändern werden. Nach all unseren Recherchen wurde uns jedoch aus wohl vertrautem Kreis überliefert, dass die Nam Kok diese Zeremonie Zeit ihres Daseins noch nie über sich ergehen lassen konnte. Wie wir nun auch wissen, sollen ungetaufte dem Unglück behaftet sein, wie beispielsweise auch die Titanic, die wohl einigermaßen festlich vom Stapel lief, aber wegen schon bestehendem Termindruck nie einen Taufspruch erfuhr und nun in 8.000 Meter Tiefe auf dem Grund liegt. Ein solches Unglück wollen wir nicht nur unseren 14 Tonnen Stahl ersparen und holen den täuflichen Segen mit allem Brimborium schleunigst nach, bevor sich die Eisbären auf ihren treibenden Eisschollen schon die Zähne fletschen.

Der Saal war reichlich und pünktlich gefüllt mit Vereinskameraden und Freunden, die unser 2-jähriges Werk besichtigen konnten. Stolz und glänzend stand sie da. Es war mir in diesem Rahmen eine besondere Ehre, die Stimme im Namen des Konstrukteurs und Erbauers Reiner Kazubek die Stimme zu erheben und von der Historie des vor uns stehenden Schiffes zu berichten und somit auch von dem Ursprung des Namens.

Image removed.Überall in Asien ist er gewesen, in den Siebzigern, als die meisten in seinem Alter ans Geld verdienen dachten und gerade bis Gran Canaria denken konnten. Er hatte weder an das eine, noch an das andere gedacht. Wohl und reichlich aber an seine eigene Frei-und Unabhängigkeit am Rande des bürgerlichen Gesetzbuches. Er nahm Flugstunden als Buschpilot in Namibia, schweißte Brücken und Stahlwerk in Südafrika, grub nach Gold in Australien, trampte halb erfroren in Tibet und fand ungeahntes Lebensglück in Thailand.  Im Norden in der Nähe von Chiang Mai lernte er einen Einheimischen kennen, mit dem er in mehrwöchiger Handarbeit am Fluss aus riesigen Baumstämmen ein Floß baute, auf dem die beiden durch den Dschungel immer zu Tal bis in den Mekong reisten. Der Name des Flusses heißt Nam Kok. So wie heute sein Schiff, was von ihm so benannt und von Helen nun in allen und offiziellen Ehren getauft werden sollte, für allzeit gute Fahrt und der berühmten Handbreit Wasser unter dem Kiel. Ich kann rückblickend gestehen, dass meine Stimme in einigen Momenten ins Stolpern geriet und musste auch noch meine Frau voller Dank in Rührung stürzen, mit Blumen in der Hand.

Image removed.Helens ergreifende Worte zum feierlichen, finalen Akt tränkten die Atmosphäre weiter voller Emotionen, die sich dann bei ihrem Wurf und Zerschellen der Champagnerlasche entlud.

Fortan strömte das Bier, nachdem auch das Gruppenfoto auf meinen besonderen Wunsch im Kasten war. Mit Dominique, Karl’s Sohn an der Seite  war es auch für mich am Plattenteller eine Freude die Generationen auf dem Parkett zu erleben. Karl selbst sorgte für den nächsten, einmaligen Höhepunkt, vernebelte die Hütte und ließ gekonnt und bizarr den Laser in allen grellen Farben durch die Halle zucken und verwandelte den Saal in einen Tanzpalast. Es war ein wahres Feuerwerk bei pumpendem Beat bis tief in die Nacht, bei der in aller Tradition auch der Sirtaki in großer Runde und griechischem Wein nicht fehlen sollte.

Wir verneigen uns bei allen, die uns so großartig während des Image removed.Umbaus in der Halle ihre Dienste geleistet haben, besonders bei Karl, Erhard und Marcel und danken so herzlich all denjenigen die helfend und feiernd aus dieser Taufe ein unvergessliches Ereignis gemacht haben. Reiner wird bei dem Hammer-Laserfeuerwerk schmunzelnd auf uns geschaut haben. Ich denke, kein Schiff wurde je so eingehweiht.

Bald sind wir nun jedoch als Segler gefordert. Gegönnt sind uns noch ein paar  Restarbeiten und ein milder Winter an Bord, sozusagen unserem neuen zu Hause.  Eine neue Genua wir noch maßgeschneidert und ein leuchtend roter, von De Jong gesponserter Gennacker kommen dazu. Dann kann es losgehen, raus auf’s Meer, über die Wellen, wohin auch der Wind uns weht. Nam Kok

bittet zum Tanz.

Und wenn die Tour dieses Jahr auch noch etwas bescheidener ausfallen muss, so steht der Entschluss fest.

Havanna, bald werden wir kommen.

 

 

19. März 2016

Frank Steinbrecher

 

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